Bank of England

Zinsentscheid auf Messers Schneide

Die Bank of England hat für ihren Zinsentscheid, die Bank Rate um 25 Basispunkte auf 4,0% zu senken, zwei Anläufe gebraucht. Am Ende machte den Geldpolitikern der Arbeitsmarkt mehr Sorgen als der Preisauftrieb.

Zinsentscheid auf Messers Schneide

Zinsentscheid auf Messers Schneide

Bank of England senkt Leitzins erst beim zweiten Anlauf um 25 Basispunkte auf 4,0 Prozent

Die Bank of England hat für ihren Zinsentscheid, die Bank Rate um 25 Basispunkte auf 4,0% zu senken, zwei Anläufe gebraucht. Das gab es zuletzt 1998. Am Ende machte den Geldpolitikern der Arbeitsmarkt mehr Sorgen als der Preisauftrieb. Dabei bewegt sich die Teuerungsrate weit über dem Zielwert von 2,0%.

hip London

Das geldpolitische Komitee der Bank of England hat den Leitzins um 25 Basispunkte auf 4,0% gesenkt. Es war die fünfte Senkung seit August vergangenen Jahres. Und der Zinsentscheid war alles andere als eine einvernehmliche Entscheidung. Zwei Abstimmungen waren dafür erforderlich.

Wie dem Protokoll der jüngsten Sitzung des neunköpfigen Monetary Policy Committee (MPC) zu entnehmen ist, votierten zunächst vier Mitglieder dafür, die Bank Rate unverändert zu belassen, und vier für eine Senkung um 25 Basispunkte. Ein weiteres, Alan Taylor, sprach sich für eine Senkung um 50 Basispunkte aus. Um zu einer Mehrheitsentscheidung zu kommen, musste ein weiteres Mal abgestimmt werden. Taylor gab sich schließlich auch mit 25 Basispunkten zufrieden.

Chefvolkswirt als Dissident

Die Zinsen befänden sich weiterhin auf dem Weg nach unten, versicherte Andrew Bailey, der Gouverneur der Notenbank. Künftige Zinssenkungen müssten jedoch schrittweise und vorsichtig erfolgen. Bemerkenswert ist, dass Huw Pill, der Chefvolkswirt der Notenbank, und Clare Lombardelli, die für Geldpolitik zuständige Stellvertreterin Baileys, den Schritt nach unten ablehnten. Die „Falken“ verwiesen in der Diskussion vor dem Zinsentscheid auf die „erhöhten“ Inflationserwartungen von privaten Haushalten und Firmen. Dort rechne man damit, dass die Teuerungsrate in der Spitze 4% erreichen werde. Das Inflationsziel der Notenbank liegt bei 2,0%.

Energie- und Lebensmittelpreise haben die Inflationserwartungen nach oben getrieben. In den Lebensmittelpreisen spiegeln sich aus Sicht der Notenbankökonomen die gestiegenen Arbeitskosten wider. Im Juni waren die Lebensmittelpreise um 4,5% gestiegen. Es war der dritte Anstieg in Folge und der steilste seit Februar vergangenen Jahres. Das macht sich im Budget von Haushalten mit geringeren Einkommen unmittelbar bemerkbar. Das könne die Inflationserwartungen nach oben treiben.

Arbeitskosten wirken auf Lebensmittelpreise

Im aktuellen Inflationsbericht machen die Volkswirte der Bank of England die Erhöhung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung und des gesetzlichen Mindestlohns für die rasant steigenden Lebensmittelpreise verantwortlich. Die von Schatzkanzlerin Rachel Reeves im Herbst vergangenen Jahres angekündigten Maßnahmen hätten sich vor allem auf die Supermärkte ausgewirkt, weil dort viele Teilzeitkräfte arbeiten.

Besonders nachteilig für die Betriebe ist, dass nicht nur die Beiträge erhöht wurden, sondern zugleich die Versicherungspflichtgrenze von 9.100 Pfund auf 5.000 Pfund gesenkt wurde. Arbeitgeber müssen deshalb für Bezieher niedriger Einkommen einen besonders starken Anstieg verkraften. Bislang hätten die Betriebe nur einen Teil der Kosten an die Kunden weitergegeben, heißt es im Inflationsbericht. Das habe die Lebensmittelpreise um 1% bis 2% nach oben getrieben. Die „Tauben“ machten dagegen Besorgnis über die Entwicklung am Arbeitsmarkt geltend.

Entspannung am Arbeitsmarkt

Aus Sicht von Taylor ist die heimische Inflation, von externen Schocks einmal abgesehen, eng mit der Lohnentwicklung verbunden, insbesondere im Dienstleistungsgewerbe. Die Situation am Arbeitsmarkt entspanne sich zusehends. In der ersten Jahreshälfte seien die Lohnabschlüsse auf 3,5% zurückgegangen. Im laufenden Sechsmonatszeitraum dürfte sich diese Entwicklung fortsetzen. Der Columbia-Professor forderte eine weniger restriktive Geldpolitik als „Versicherung“ gegen künftige Abwärtsrisiken.

Die anderen vier Fürsprecher einer weiteren Lockerung verwiesen auf die Anzeichen für eine schwächere Nachfrage. Die Auswirkungen der hohen Sparneigung der britischen Haushalte auf den Konsum könne zu einer schnellen Ausweitung des Arbeitskräfteangebots führen. In der Privatwirtschaft verlangsamte sich dem Statistikamt ONS zufolge das Lohnwachstum in den drei Monaten per Ende Mai zwar auf 4,9%. Damit liegt es aber immer noch weit über dem Niveau, das Volkswirte für eine Rückkehr zum Inflationsziel für erforderlich halten.

Dürftige Daten

Problematisch an der Fokussierung auf den Arbeitsmarkt ist, dass sich die Daten des ONS dazu als unzuverlässig erwiesen haben. Mitunter sind sie auch stark interpretationsbedürftig. So stieg etwa im Juni die Arbeitslosenquote, was in erster Linie darauf zurückging, dass sich mehr zuvor wirtschaftlich Inaktive um Arbeit bemühten. Die Beschäftigung stieg weiter. Verzerrend dürfte zudem wirken, dass Unternehmen zunehmend auf selbstständige Auftragnehmer zurückgreifen, um Sozialversicherungsbeiträge zu vermeiden.