Lirakrise

Zinswende in Türkei in weiter Ferne

Die türkische Zentralbank sieht von einer weiteren Zinssenkung ab – aber womöglich nur für den Moment. Die Inflation dürfte sich weiter verschärfen und Kurs Richtung 50 Prozent nehmen.

Zinswende in Türkei in weiter Ferne

rec Frankfurt

Die Zinswende in der Türkei ist in weite Ferne gerückt – obwohl Teile der Opposition und Beobachter sie angesichts der eskalierenden Inflation für zwingend erachten. Bei ihrem ersten Zinsentscheid im neuen Jahr hat die Zentralbank den Leitzins bei 14% nicht angetastet. Beobachter halten aber eine baldige Wiederaufnahme der Zinssenkungen für denkbar. Die Lira reagierte kaum. Sie war nach mehreren Zinssenkungen bei steigender Inflation regelrecht abgestürzt, hat sich aber vorläufig gefangen.

Sämtliche von Bloomberg befragten Ökonomen hatten diese Entscheidung erwartet. Denn Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan drang zuletzt nicht mehr so stark auf weitere Zinssenkungen. Im Rahmen der Zinssenkung im Dezember hatte das Zentralbankkomitee unter Führung von Sahap Kavcioglu angekündigt, auf weitere Abwärtsschritte im ersten Quartal 2022 zu verzichten.

Beobachter hoben nun allerdings hervor, dass die Notenbank auf diese Anmerkung am Donnerstag verzichtet hat. Ökonomen schließen daraus, dass weitere Zinssenkungen wahrscheinlicher sind als eine Zinserhöhung, die unabhängige Experten angesichts der eskalierenden Inflation für unerlässlich halten. Laut offiziellen Daten sind die Verbraucherpreise zuletzt um 36% binnen zwölf Monaten gestiegen. Manche Ökonomen halten gar einen Anstieg auf mehr als 50% für möglich. Teile der Opposition und Kritiker halten die Teuerung längst für noch eklatanter.

Commerzbank-Devisenexperte Tatha Ghose geht davon aus, „dass die Abwertung der Lira nach einer kurzen Pause wieder einsetzen wird, wenn die Zentralbank nicht in der Lage ist, die Zinsen zu erhöhen“. Jason Tuvey von Capital Economics sagt: „Die türkische Zentralbank wird die Zinssätze wahrscheinlich nur dann anheben können, wenn es erneut zu Spannungen im Bankensektor kommt oder es bei den nächsten Wahlen zu einem Regierungswechsel kommt.“ Diese sind derzeit für spätestens Juni 2023 terminiert.

Einem unbestätigten Bloomberg-Bericht zufolge plant die Regierung eine Finanzspritze von umgerechnet knapp 4 Mrd. Dollar für Staatsbanken, damit diese trotz schwindender Puffer ihre rege Kreditvergabe an Unternehmen aufrechterhalten. Re­gierung und Zentralbank haben die Staatsbanken immer wieder eingespannt, um mit dem Verkauf von Fremdwährungen diskret am Markt zu intervenieren und die Lira zu stützen. Die Notenbank hat auch selbst wiederholt am Devisenmarkt interveniert. Gerade erst hat sie sich über ein 5 Mrd. Dollar schweres Abkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten Zugang zu mehr Devisen verschafft, um ihre schwindenden Reserven aufzustocken (vgl. BZ vom 20. Januar).

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