Zollchaos zwingt EZB zu Zinspause
Nach acht Zinssenkungen um 200 Basispunkte innerhalb nur eines Jahres hält die EZB inne und verkündet eine Zinspause. Wie die Notenbank am Donnerstagnachmittag in Frankfurt mitteilte, verbleibt der für die Geldpolitik wichtige Einlagensatz bei 2%. „In einem schwierigen globalen Umfeld hat sich die Wirtschaft bislang insgesamt widerstandsfähig gezeigt, was zum Teil auf die Zinssenkungen des EZB-Rats in der Vergangenheit zurückzuführen ist“, heißt es in der Stellungnahme der EZB zum Zinsentscheid. „Zugleich ist das Umfeld nach wie vor außergewöhnlich unsicher, vor allem aufgrund von Handelskonflikten.“
Die Inflation im Euroraum liegt derzeit bei 2% und damit exakt auf dem Zielwert der Notenbank. Zwar rechnen die Volkswirte des Eurosystems gemäß der Juni-Projektion, dass die Teuerung unter 2% fallen wird. Sie gehen jedoch davon aus, dass die Inflation mittelfristig wieder auf den Zielwert steigt. Diese Vorhersage ist jedoch wie von der EZB angeführt mit erheblicher Unsicherheit behaftet, da weiterhin offen ist, wie sich der Zollkonflikt zwischen den USA und der EU entwickelt und welche Auswirkungen dies auf die Preise in Europa haben wird. „Auch wenn die Handelspolitik und der Zollstreit weltwirtschaftliche Risiken mit sich bringen, wäre es zum jetzigen Zeitpunkt doch spekulativ gewesen, vorbeugend die Zinsen zu senken“, sagte Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust.
Wechselkurs könnte zum Risiko für die EZB werden
Einige Mitglieder im EZB-Rat befürchten, dass eine geringere wirtschaftliche Aktivität wegen der Zölle und der Unsicherheit um diese zu einer längeren unerwünscht niedrigen Inflation im Euroraum führen könnte. Auch der gegenüber dem Dollar stärkere Euro könnte die Preisentwicklung diesseits des Atlantiks abschwächen. Frankreichs Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau warnt, dass eine anhaltende Aufwertung des Euro die Inflation über mehrere Jahre hinweg um 0,2 Prozentpunkte jährlich senken könnte.
Auf der anderen Seite gibt es auch EZB-Ratsmitglieder, die nur noch wenig Spielraum für zusätzliche Lockerungen in diesem Jahr sehen. So sagte etwa EZB-Direktorin Isabel Schnabel, die Messlatte für eine weitere Zinssenkung sei „sehr hoch“. Ähnlich sehen der estnische Notenbankpräsident Madis Müller und sein österreichischer Amtskollege Robert Holzmann die Lage. Für Holzmann war es allerdings der letzte Zinsentscheid. Ab September steht Martin Kocher an der Spitze der österreichischen Notenbank. Sein Kurs dürfte deutlich weniger falkenhaft sein als der des Hardliners Holzmann.
Zudem zeigen sich manche Falken wie etwa Belgiens Notenbankchef Pierre Wunsch sehr offen gegenüber einer weiteren Lockerung der Geldpolitik in den kommenden Monaten. Investoren und Ökonomen erwarten mehrheitlich, dass es auch genau dazu kommt. Sie rechnen mit ein bis zwei Lockerungen bis Dezember.