Zolleffekt läuft aus
Zolleffekt läuft aus
Bundesbank senkt Wachstumsprognose − Produktion und Exporte geben stark nach
Das erste Quartal hui, das zweite wird wohl pfui: Vom Vorzieheffekt infolge der verhängten und angekündigten US-Zölle ist in den April-Daten von Industrieproduktion und Exporten keine Spur mehr. Und im weiteren Jahresverlauf wird es nicht besser, die Bundesbank kappt die Wachstumsprognosen.
Von Alexandra Baude, Frankfurt
Dem unerwartet starken Jahresauftakt zum Trotz wird die deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr stagnieren. Zu groß ist nicht nur die allgemeine Unsicherheit, sondern vor allem die Verunsicherung wegen der erratischen US-Handelspolitik. Die fiskalischen Maßnahmen der Bundesregierung werden erst später ihre positive Wirkung entfalten − vorausgesetzt, die Umsetzung folgt wie versprochen. Dieser Argumentationslinie folgend hat die Bundesbank ihre Wachstumsprognosen für 2025 abwärts- und die für 2027 aufwärts revidiert. Wegen der niedrigeren Rohstoffpreise und des starken Euro wiederum wurde der Inflationsausblick für 2025 und 2026 deutlich auf 2,4 (zuvor 2,6)% und 2,1(2,7)% gesenkt.
Effekte von einem dreiviertel Punkt
„Die neuen US-Zölle und die Unsicherheit über die künftige US-Politik dämpfen zunächst das Wirtschaftswachstum“, erläutert Bundesbankpräsident Joachim Nagel. „Das trifft die deutsche Industrie zu einem Zeitpunkt, zu dem sie sich nach langer Schwächephase zu stabilisieren begann.“ Die Effekte zusammengenommen würden das BIP 2025 und 2026 um etwa einen dreiviertel Prozentpunkt dämpfen.
Bundesbank: Stagnation 2025
Konkret erwartet die Bundesbank nun auch eine Stagnation im laufenden Jahr. Im Herbst war sie noch von einem BIP-Plus von 0,2% ausgegangen. Der kumulierte Gesamteffekt aus den zusätzlichen Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben auf das BIP-Wachstum bis Ende 2027 wird gleichfalls auf einen dreiviertel Prozentpunkt geschätzt, der sich auf die Jahre 2026 und 2027 konzentriert. Das Wachstum dürfte sich daher im kommenden Jahr auf 0,7 (zuvor: 0,8)% und 2027 dann auf 1,2 (0,9)% beschleunigen.
Von einem Risikoszenario, das die Verhängung der sogenannten reziproken Zölle sowie Gegenmaßnahmen der EU beinhaltet, würde sich die deutsche Wirtschaft erst 2027 erholen. Im laufenden Jahr ergäbe sich ein BIP-Wachstumsverlust von 0,5 Prozentpunkten, 2026 von 0,9 Prozentpunkten. „Doch selbst 2027 verbleibt noch ein dämpfender Effekt auf das Wachstum in Höhe von 0,2 Prozentpunkten“, heißt es in dem vorab veröffentlichten Kapitel aus dem Monatsbericht Juni.
Produktion enttäuscht
Einen Rückschlag hat die Industrie bereits zum Auftakt des zweiten Quartals erlitten: Die Produktion ist im April stärker gesunken als erwartet. Zudem ist der Vormonat nicht ganz so gut gelaufen wie zunächst gemeldet. US-Unternehmen hatten sich mit Waren eingedeckt, bevor die von US-Präsident Donald Trump angekündigten Zölle in Kraft treten. Dass der Vorzieheffekt aber an Kraft verloren hat, zeigt sich auch an den Exporten, die im April ebenfalls zurückgegangen sind. Nachdem jedoch der Auftragseingang, getragen von der Binnennachfrage überraschend zugelegt hat, halten sie an ihrem vorsichtigen Optimismus für das verarbeitende Gewerbe fest: Das Schlimmste dürfte überstanden sein, heißt es mit Blick auf die vom Ifo-Geschäftsklima signalisierte Stimmungsaufhellung, die Zinssenkungen der EZB und das Infrastrukturprogramm der Bundesregierung.

Im April hat das verarbeitende Gewerbe laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) die Fertigung im Monatsvergleich um 1,4% gedrosselt. Ökonomen hatten nach dem kräftigen Zuwachs von revidiert 2,3 (zunächst: 3,0)% zwar einen Rückgang erwartet, diesen aber bei 1,0% verortet. „Trotz Abwärtsrevision des Vormonats überwiegt im Durchschnitt beider Monate aber ein positiver Impuls“, analysiert Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Aber: „Wohl und Wehe hängen an den Zollallüren der USA.“ Für den Jahresvergleich melden die Statistiker einen Rückgang um 1,8%.
Rückschlag bei Pharma
Zur negativen Entwicklung habe auch ein kräftiger Produktionsrückgang in der Pharmaindustrie beigetragen, hieß es bei Destatis. Hier folgte dem kräftigen Zuwachs von 19,3% im März ein Minus von 17,7% zum Vormonat. Schwerer wiegt da der Produktionsrückgang im Maschinenbau (−2,4%), einer der hiesigen Schlüsselbranchen. Positiv entwickelte sich Destatis zufolge hingegen die Produktion im Baugewerbe (+1,4%) und in der Nahrungsmittelindustrie (+5,7%). Außerhalb der Industrie gab die Energieerzeugung um 1,6% nach. Die Industrie im eigentlichen Sinn, also ohne Bau und Energie, verzeichnete ein Minus von 1,9%.
Bau-Klima verbessert sich
Für einen weiteren Anstieg der Bauproduktion spricht der Anstieg des Ifo Geschäftsklimas für den Wohnungsbau um 5,7 auf −31,5 Punkte. Sowohl die aktuelle Lage als auch die Erwartungen verbesserten sich spürbar. „Die Unternehmen im Wohnungsbau schöpfen vorsichtig Hoffnung“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo Umfragen. „Zwar hellt sich die Stimmung auf – doch der Weg zurück zur Normalität ist noch lang.“ Während die Auftragslage angespannt blieb, gab es weniger Stornierungen. Als Hoffnungsschimmer gilt Wohlrabe der Anstieg der Baugenehmigungen im ersten Quartal.
Exporte sinken stärker als erwartet
„Wenn wenig produziert wird, kann auch wenig in den Versand gegeben werden. Gerade deshalb muss der Rückgang der Exporte ebenfalls nicht weiter verwundern“, ordnet Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, das Minus der Ausfuhren um 1,7% auf 131,1 Mrd. Euro ein. Die Prognosen lagen hier im Schnitt bei −0,7%. Im März hatten die Vorzieheffekte noch für ein Plus von 1,2% gesorgt. Die USA waren zwar auch im April Hauptabnehmer deutscher Waren, auch wenn die Statistiker hier einen Rückgang um 10,5% verzeichneten. Dorthin gingen deutsche Waren im Wert von 13,0 Mrd. Euro, so wenig wie zuletzt im Oktober 2024.

Für den Außenhandelsverband BGA sticht noch der Exportrückgang nach China um 5,9% auf 7,0 Mrd. Euro heraus. „Ein Trend, der sich aufgrund der zunehmenden Kompensation von Importen durch heimische Produktion in China wahrscheinlich fortsetzen wird“, mahnt BGA-Präsident Dirk Jandura. „Gleichzeitig entwickelt sich China aber auch außerhalb des eigenen Marktes immer mehr zum härtesten Wettbewerber unserer Wirtschaft, insbesondere der Wachstumsregion Asien.“ Die Exporte in das Vereinigte Königreich gaben um 2,1% auf 6,3 Mrd. Euro nach.
Das unerwartet starke Wachstum der Importe nach Deutschland um 3,9% auf 116,5 Mrd. Euro könnte für eine anziehende Binnennachfrage sprechen. Im Mittel hatten Ökonomen hier ein Plus von 0,5% avisiert. Der Überschuss der Außenhandelsbilanz gab daher auf 14,6 Mrd. Euro nach − im März lag der Positivsaldo noch bei 21,3 Mrd. Euro.