Zugriff auf russische Vermögen rückt näher
Zugriff auf russische Vermögen rückt näher
Ukraine-Hilfen ansonsten kaum finanzierbar – EU-Gipfel unter besonderer Sicherung
wf/fed Frankfurt
Es wird zusehends wahrscheinlicher, dass die Europäische Union viel umfassender auf die eingefrorenen Vermögen der russischen Zentralbank zugreifen wird als sie es bisher tut. Zwei Tage vor einem EU-Sondergipfel in Kopenhagen, bei dem über die Finanzierung der Ukraine beraten wird, berichten Diplomaten über eine wachsende Zustimmung unter den nationalen Regierungen. Seitdem sich Bundeskanzler Friedrich Merz offen für ein solches Vorgehen ausgesprochen hat, „ist einiges in der EU in Gang gesetzt worden“, heißt es. Bei der Frage der Nutzung der russischen Assets für die Finanzierung der militärischen Unterstützung Kiews gehe es „um den größten Hebel, den die Europäer ansetzen können“. Denn die Möglichkeiten, der Ukraine über die nationalen Etats zu helfen, seien weitgehend ausgeschöpft – und somit sei die Finanzierung der Ukraine im kommenden und im übernächsten Jahr nicht mehr gesichert. Der Zugriff auf die staatlichen russischen Vermögen, die beim belgischen Zentralverwahrer Euroclear gelagert werden, würde alle mit der Ukraine-Hilfe verbundenen Finanzierungsprobleme bis mindestens 2027 auf einen Schlag lösen. Denn nach früheren Angaben beläuft sich die Summe der eingefrorenen Assets der russischen Zentralbank auf 250 Mrd. Euro, von denen 180 bis 190 Mrd. Euro liquide sind. Demgegenüber wird der Finanzierungsbedarf der Ukraine 2026 und 2027 auf 100 Mrd. Euro geschätzt.
Reparations-Darlehen
Bisher bedient sich die EU „nur“ an den Zinsen, die die russischen Assets abwerfen. Auf diese Weise ist die EU bislang nicht mit dem Vorwurf der Enteignung konfrontiert. Künftig sollen die angesammelten Barguthaben genutzt werden, sobald sie fällig werden, um der Ukraine mit dem Geld so genannte Reparations-Darlehen zu gewähren, hat EU-Kommissar Valdis Dombrovskis vor wenigen Tagen erklärt. Im Gegenzug sollen den russischen Verwahrkonten bei Euroclear EU-Anleihen gutgeschrieben werden, die von den EU-Mitgliedstaaten garantiert werden. Auf diese Weise, so ist der Lette überzeugt, umgehe die EU, sich mit Fragen der „sovereign immunity“ zu befassen, die diese Diskussionen zuvor belastet haben. „Sovereign immunity“ ist ein Rechtsgrundsatz, der den fremden Zugang auf Staatsvermögen – in diesem Falle der russischen Zentralbank – verhindern soll. Allerdings rechnen die EU-Länder schon jetzt damit, dass sie die Anleihen bei Fälligkeit in 10 oder 15 Jahren nicht tilgen müssen. Vielmehr ist von nicht näher ausgeführten Verrechnungen mit russischen Reparationen die Rede.
Beim EU-Sondergipfel in Kopenhagen an diesem Mittwoch soll eine grundsätzliche Zustimmung der EU-Staaten festgestellt werden. Auf dieser Basis werde die EU-Kommission einen konkreten Vorschlag erarbeiten, der wiederum beim regulären EU-Gipfel am 23. Oktober diskutiert werden könnte, sagen Diplomaten.
Bundeswehr hilft
Bei dem Sondergipfel wird übrigens auch die Bundeswehr eingebunden sein. Nach den „problematischen Drohnenüberflügen“ über Dänemark in den vergangenen Tagen sollen Bundeswehr-Soldaten an der Sicherung des Ratsgebäudes in Kopenhagen und der Abwehr von Drohnen durch die Fregatte „Hamburg“ mitwirken, die vor Dänemarks Hauptstadt ankern wird.