100 Tage Ernüchterung
Bundesregierung
100 Tage Ernüchterung
Von Andreas Heitker
Am Mittwoch, am 100. Tag seiner Kanzlerschaft, stand Friedrich Merz wieder einmal im internationalen Rampenlicht: Auf seine Initiative hin war der ukrainische Präsident nach Berlin gekommen, um in einer Videoschalte zusammen mit weiteren EU-Regierungschefs Donald Trump zu einem abgestimmten Handeln gegenüber dem russischen Aggressor Wladimir Putin zu bewegen. Deutschland hat mit Schwarz-Rot und unter Führung von Merz in nur gut drei Monaten wieder ein deutlich sichtbareres außenpolitisches Profil gewonnen.
Während im Bundeskanzleramt über die Lage in der Ukraine beraten wurde, zogen am Mittwoch aber auch zahlreiche Wirtschaftsverbände eine 100-Tage-Zwischenbilanz. Und die fiel längst nicht so positiv aus: Immer wieder war hier von „Ernüchterung“ die Rede, von einem Vertrauensvorschuss, der noch nicht zurückgezahlt worden sei, von der bislang ausgebliebenen Wirtschaftswende und anderen nicht eingehalten Wahlversprechen.
Mehrheit ist unzufrieden mit der Regierung
Die Umfragen sprechen eine recht deutliche Sprache: Eine klare Mehrheit der Deutschen ist unzufrieden mit der Arbeit von Union und SPD. In der Wirtschaft sieht es nicht anders aus. Allenfalls eine geringe Stimmungsaufhellung ist zu erkennen. Eine Mehrheit der Unternehmer erwartet aber weder eine bessere Wettbewerbsfähigkeit in den nächsten Monaten, noch sind durch die Regierungsarbeit nun zusätzliche Investitionen geplant. Einem aktuellen Ifo-Panel zufolge bewerten sogar 42% der Ökonomen die bisherigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung negativ.
Man muss Christ- und Sozialdemokraten zugutehalten, dass sie in den ersten 100 Tagen versucht haben, Tempo aufzunehmen: 118 Vorhaben haben sie in dieser Zeit beschlossen, darunter 57 Gesetzgebungsvorhaben und zwei Haushaltsentwürfe. Findet Schwarz-Rot aber auch die Kraft zu echten Sozialreformen noch in diesem Jahr? Dies wird entscheidend sein. Die internen Streitereien von Stromsteuer bis Richterwahl haben Zweifel gesät. Und die „low hanging fruits“ sind mittlerweile längst abgegrast.