Notiert in Buenos Aires

Freiheit für den Peso!

So lange der Wechselkurs des Peso nicht freigegeben wird, kommt kaum frisches Kapital nach Argentinien. Die Konsumenten ziehen ihre eigenen Schlüsse.

Freiheit für den Peso!

Freiheit für den Peso!

Notiert in Buenos Aires

Von Andreas Fink

Wer sich am Wochenende von Mendoza zum Paso Los Libertadores hinaufkurbelt, landet im Stau. Drei bis vier Stunden wartet man an der chilenischen Grenze – der Preis dafür, dort einzukaufen, wo Dinge kosten, was sie wert sind. Hinter den hohen Bergen gibt es ein Samsung-Handy für die Hälfte – ebenso die Barbie der Kollektion „Wir gehen in den Supermarkt“. Ein Trend quer durch den Warenkorb: In Chile kostet vieles nur die Hälfte, ein Drittel, teils ein Viertel der Preise in Argentinien – von Kleidung und Kühlschränken bis hin zu Thunfisch, Schokolade und Pasta.

Der Peso ist überbewertet. Das sehen nicht nur Konsumenten so, sondern auch Investoren. Pramol Dhawan, der bei Pimco die Schwellenländer-Portfolios verantwortet, forderte Anfang November: „Lassen Sie den Peso frei floaten. Ausländische Investoren werden auf diesem Wechselkursniveau nicht investieren. Punkt.“ Ein Ultimatum – ausgesprochen vor einem Treffen mit Präsident Javier Milei. Tags zuvor hatte JP-Morgan-Chef Jamie Dimon Gerüchte über einen möglichen 20-Mrd.-Dollar-Kredit privater Banken beiseite gewischt. Die Botschaft ist klar: Solange Milei den Peso stützt, kommt kein frisches Kapital.

Falsches Signal

Doch Finanzminister Luis Caputo hält den Peso für „gut kalibriert“. Argentinien verzeichne Rekordexporte und habe kein Wechselkursproblem. Zudem sei der Devisenmarkt zu volatil, um die Währung freizulassen, wie das auch namhafte argentinische Ökonomen fordern. Die Peso-Nachfrage sei „fragil“, weil es an Vertrauen fehle. Also hält die Regierung den Peso oben, um Vertrauen aufzubauen – doch genau diese Stützung verhindert, dass Vertrauen entsteht.

Politische Erklärung

Dass ausgerechnet die erste libertäre Regierung der Weltgeschichte die Wechselkurskontrollen nicht aufgeben will, erklärt Caputo mit dem Reformrückstand. Preise würden fallen, sagt er, sobald das am 10. Dezember neu zusammentretende Parlament Reformen zu Arbeitsmarkt und Steuern beschließe. Und: Andere Länder intervenierten schließlich auch. Politisch mag das nachvollziehbar sein, aber ökonomisch kaum: Je länger die Überbewertung anhält, desto größer werden die Verzerrungen. Industrie und Tourismus verlieren Wettbewerbsfähigkeit, Importe werden künstlich verbilligt, Ersparnisse fließen ins Ausland, Investitionen werden verschoben und immer mehr Bürger weichen zum Einkaufen und Urlauben ins Ausland aus.

Keine Frage des „ob“

Argentiniens aktueller Wechselkurs ist politisch gesetzt, nicht ökonomisch gewachsen. Er vermittelt Sicherheit, die mangels eigener Reserven nur hält, solange die Regierung noch frisches Geld auftreibt – über Steueramnestien, neue Kredite wie jenen vom IWF oder den Währungstausch mit den USA. Doch an der Wall Street, im Finanzviertel von Buenos Aires und auch im Stau an der chilenischen Grenze wissen es alle: Der Peso kann nicht ewig auf Anabolika laufen. Die Frage ist nicht mehr, ob er freigegeben werden muss, sondern wie hoch der Preis steigt, je länger man damit wartet.