Notiert inTokio

Abschied von Japans Spielhöllen

Den Pachinko-Hallen, eine spezifisch japanische Form des Glücksspiels, laufen die Kunden davon. Staatliche Vorschriften verschärfen den Niedergang.

Abschied von Japans Spielhöllen

Notiert in Tokio

Abschied von Japans Spielhöllen

Von Martin Fritz

Eine versuchte Wahlbeeinflussung wirft gerade ein Schlaglicht auf Japans Spielhallen. Die Polizei verhaftete den Chef einer Betreiberfirma und fünf weitere Personen wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Wahlgesetz. Die Verdächtigen sollen Mitarbeitern Belohnungen versprochen haben, wenn sie bei der Wahl zum Oberhaus im Juli für den LDP-Politiker Yasuhisa Abe stimmen. 250 Mitarbeiter machten mit. Abe ist Präsident der nationalen Vereinigung von Pachinko-Beschäftigten und sollte sich im Parlament für die kriselnde Branche einsetzen.

Grelle und laute Atmosphäre

Japanische Spielhallen sehen ganz anders als deutsche. Sie leuchten grell, sind höllisch laut, Alkohol ist verboten, es gibt keine Billard- und Kickertische oder Arcade-Geräte, sondern nur Pachinko- und Pachislot-Automaten. Pachislot ähnelt westlichen Daddel-Maschinen, Pachinko gleicht Flipper-Automaten: Man schießt zahlreiche kleine Metallkugeln auf Ziele ab, damit die Automaten mehr Kugeln ausspucken als hineingehen. Dafür erhält man Sachgewinne, die sich neben der Halle zu Geld machen lassen.

Die Branche wuchs lange Zeit, weil der Staat Pachinko als Unterhaltung und nicht als Glücksspiel einstufte. Auf ihrem Höhepunkt Mitte der 1990er Jahre daddelten 29 Mill. Japaner in über 18.000 Hallen und setzten bis zu 35 Bill. Yen (heute rund 200 Mrd. Euro) um. Seitdem erlebte dieses Geschäft aber einen rasanten Niedergang. Die Zahl der Spielhallen schrumpfte um über 60% auf knapp 7.000, die Zahl der Spieler um fast 80% auf 6,6 Millionen. Die Bedeutung für die lokale Ökonomie ging zurück, und die Politik distanzierte sich sukzessive.

Regeln gegen die Spielsucht

Neue Vorschriften machten Pachinko schon vor der Pandemie unattraktiver. Als Prävention gegen den „Drang zum Glücksspiel“ dürfen die Maschinen beim Jackpot nur noch maximal 1.500 Kugeln ausspucken und müssen den Spielfluss drosseln. Der Gesetzgeber erzwang eine schnelle Umstellung auf die neuen Maschinen. Viele kleinere Betreiber machten zu, weil sie den Wechsel nicht mehr finanzieren konnten. Ein Rauchverbot vergraulte ab 2020 dann ältere, männliche Stammkunden. Und Corona beschleunigte die Konsolidierung weiter. Jüngere Leute finden Pachinko langweilig, ihnen fehlt der schnelle Dopamin-Kick von Smartphone- und Konsolenspielen. Daher führen nun viele Betreiber „smarte“ Pachinko- und Pachislot-Geräte mit Zusatzfunktionen ein. Aber die Hallen dürfen nur begrenzt dafür werben.

Ein verstecktes Motiv für die verschärfte Regulierung könnten staatliche Pläne für den Bau von drei „Integrierten Resorts“ sein. Das erste dieser Veranstaltungszentren mit Spielkasino entsteht auf der Insel Yumeshima vor Osaka, sobald die Expo 2025 abgebaut ist. Die Resorts sollen internationales Kapital und ausländische Touristen anlocken. Die Branche blickt daher skeptisch nach vorn. „Es ist nicht mehr tragbar“, resigniert ein langjähriger Pachinko-Manager. „Selbst wenn man sich an alle Regeln hält, kommen die Kunden nicht mehr zurück.“