Notiert in Brüssel

Abschied von Loch Ness

Sie war immer mal wieder da – und dann auch wieder nicht: die Finanztransaktionssteuer hatte in Brüssel den Beinamen des Loch Ness erworben. Jetzt wird der Vorschlag zurückgezogen.

Abschied von Loch Ness

Notiert in Brüssel

Abschied von Loch Ness

Von Detlef Fechtner

Ein alter Kalauer lautet: Ein Australier war seines Bumerangs überdrüssig. Beim Versuch, ihn wegzuwerfen, ist er verzweifelt. An diese Albernheit haben sich in den vergangenen Jahren EU-Diplomaten und EU-Beamte erinnert gefühlt, wenn es um die Finanztransaktionssteuer ging. In Brüssel wurde sie zwischenzeitlich mit dem Seeungeheuer von Loch Ness verglichen. Immer, wenn man denkt, es gibt sie nicht mehr, taucht sie wieder irgendwo auf.

Das könnte nun ein Ende haben. Die EU-Kommission hat ihr Arbeitsprogramm für 2026 vorgestellt. Das Programm enthält drei Listen: Eine mit Gesetzesvorhaben, die sie neu initiieren will (lang). Eine mit Gesetzesvorhaben, die bereits lanciert sind und abgeschlossen werden sollen (sehr, sehr lang). Und eine mit Gesetzesvorhaben, die zurückgezogen werden sollen (kurz). Zur letztgenannten Kategorie zählt denn auch die Finanztransaktionssteuer. Auf der Liste finden sich jene Dossiers, die kaum vorankommen, obwohl sie bereits vor Ewigkeiten initiiert wurden. Das kann man für die Finanztransaktionssteuer (FTT) durchaus behaupten, wie bereits an ihrer gesetzlichen Kennnummer zu erkennen ist: COM (2013) 71 final. Die Zahl in der Klammer bezeichnet traditionell den Gesetzgebungs-„Jahrgang“.

Die Zahl derer, die wegen der Beerdigung der Pläne in tiefe Trauer verfallen, dürfte sich in engen Grenzen halten. Ganz sicher werden dazu nicht die Flash Boys zählen, also die Hochfrequenzhändler. Denn eine Transaktionssteuer hätte, wie auch immer sie ausgestaltet gewesen wäre, das Geschäftsmodell derjenigen zerstört, die ein Wertpapier innerhalb einer Sekunde kaufen und verkaufen. Und manchmal ja nochmal kaufen und verkaufen, bevor die Sekunde abgelaufen ist. Zur Trauergemeinde werden auch sicher nicht die traditionellen Kapitalmarktprofis zählen, denen Ertragseinbußen gedroht hätten, und auch nicht die CFO von Unternehmen, die befürchten mussten, eine FTT würde Investoren aus Europa vertreiben, sodass die Kapitalaufnahme noch schwieriger werden würde. Nein, selbst viele Vertreter des linksliberalen politischen Spektrums und sogar einige Steueraktivisten dürften der Transaktionssteuer keine Tränen nachweinen. Denn im Laufe der gesetzgeberischen Konkretisierung des Vorhabens, das irreleitenderweise oft mit der Tobin-Tax gleichgestellt wird, hat sich an mehreren Stellen gezeigt, dass es fast unmöglich wäre, simplen Umgehungsstrategien und Schlupflöchern vorzubeugen. Daher wäre ein zentrales Ziel, nämlich Steuergerechtigkeit, nur schwer zu erreichen.

Andererseits ist der Jubel über die Ansage der EU-Kommission, das Dossier zurückzuziehen, ebenfalls begrenzt. Denn viele in der Finanzindustrie hatten eigentlich darauf gehofft, dass Gesetzesvorhaben wie die EU-Kleinanlegerregeln (RIS) und die Vorgaben für die Öffnung des Zugangs zu Finanzdaten (FiDA) auf die Streichliste gesetzt werden. Die Finanztransaktionssteuer hatten die meisten, wenn sie ehrlich sind, längst vergessen.