Unterm Strich

Achleitner kriegt es nicht gebacken

Die Nachfolgesuche für den Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank, Paul Achleitner, gestaltet sich zäh: Gute Kandidaten winken ab.

Achleitner kriegt es nicht gebacken

Falls es noch eines weiteren Beweises für den Ansehensverlust der Deutschen Bank brauchte, so wird er derzeit mit der Nachfolgesuche für den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden geliefert. Wie Sauerbier wird ein Amt feilgeboten, das einst zu den angesehensten und einflussreichsten in Deutschlands Wirtschaft und in der internationalen Finanzwelt zählte. Mit der Schlagzeile „Deutsche Bank findet keinen Nachfolger für Achleitner“ fasste eine große süddeutsche Tageszeitung den Stand der bisher erfolglosen Suche zusammen. Amtsinhaber Paul Achleitner, der mit der Hauptversammlung im nächsten Jahr nach zwei Fünfjahresperioden aus dem AR ausscheidet, war nicht nur bei den Vorstandsbesetzungen wiederholt überfordert, sondern kann offenkundig auch in eigener Sache bisher nicht liefern. Angesichts der acht verbleibenden Monate bis zur HV steigt nicht allein bei den Aktionären, sondern auch bei den Bankenaufsehern von EZB und BaFin die Ungeduld wegen der immer noch ungelösten Personalie. Ein geordneter Übergang an der Spitze des Kontrollgremiums ist den Aufsichtsbehörden nach den Turbulenzen und Verfehlungen der vergangenen Jahre aus nachvollziehbarem Grund sehr wichtig.

Dass die Personalberatung Egon Zehnder dem Nominierungskomitee unter Leitung von Deutsche-Bank-Aufsichtsrätin Mayree Clark bei der Kandidatensuche helfen muss, mag aus Banksicht üblich sein, spricht aber Bände. Denn die von Achleitner für die eigene Nachfolge als AR-Chef ins Auge gefassten potenziellen Kandidaten haben keine Lust auf die in seiner Ära heruntergewirtschaftete Position und demzufolge abgewunken. Dabei hätte Achleitner schon bei der Anwerbung von Norbert Winkeljohann und Theodor Weimer für den Deutsche-Bank-Aufsichtsrat klar sein müssen, dass beide Manager Posten bekleiden, die sich gemäß Corporate Governance Kodex mit dem AR-Vorsitz bei der Deutschen Bank nicht unter einen Hut bringen lassen und überdies an unternehmerischer Attraktivität das Amt bei der Deutschen Bank überragen.

Die 4 W

Als der ehemalige PwC-Europa-Chef Winkeljohann 2018 in die Aufsichtsräte von Bayer und Deutsche Bank gewählt wurde, war bereits vorgezeichnet, dass er 2020 den Aufsichtsratsvorsitz bei Bayer übernehmen würde. Dort sind Ruf und Aktienkurs aufgrund des Monsanto-Kaufs und der Glyphosat-Prozesse zwar ähnlich unter die Räder gekommen wie bei der Deutschen Bank. Doch Bayer spielt in ihrer Branche unverändert in der Weltliga, was man von der Deutschen Bank schon länger nicht mehr behaupten kann. Da nach dem deutschen Governance-Kodex zwei AR-Vorsitze von Dax-Unternehmen aus gutem Grund kritisch zu sehen wären, weil dann kaum die zur Wahrnehmung der Aufgaben erforderliche Zeit zur Verfügung stünde, müsste Winkeljohann den Bayer-Vorsitz aufgeben – zu einem Zeitpunkt, an dem der Pharma- und Saatgutkonzern das Tal der Tränen durchschritten haben dürfte.

Noch weniger Bock auf den AR-Vorsitz bei der Deutschen Bank hat verständlicherweise Theodor Weimer. Das hat der Deutsche-Börse-Chef schon in der HV 2020 kundgetan, nachdem Achleitner den früheren HypoVereinsbank-Chef als möglichen Nachfolger ins Gespräch gebracht hatte. Wer Weimer kennt, weiß um dessen Gestaltungswillen und Ehrgeiz. Ein AR-Vorsitz, egal wo, passt kaum zum Naturell des gelernten Investmentbankers. Was wäre bei der Deutschen Bank zu gestalten? Nach zahllosen Personal- und Strategiewechseln muss man CEO Christian Sewing nun erst einmal die Chance lassen, die Bank strategisch und operativ voranzubringen, was schrittweise ja auch gelingt. Da heißt es für den AR-Chef, die Füße still zu halten und die Arbeit des CEO im Hintergrund zu begleiten.

Ganz anders die Herausforderung bei der Deutschen Börse, wo Weimer als CEO nach dem glücklosen Carsten Kengeter zwar nicht erneut nach der Londoner Börse greifen kann, aber mit einigen kleineren Zukäufen schon Akzente gesetzt hat. Dass Weimer nach der nächsten Chance Ausschau hält, um der Deutschen Börse neue strategische Optionen zu eröffnen, liegt auf der Hand. Und dass der CEO-Job bei der Börse höher vergütet wird als der kaum weniger zeitintensive AR-Vorsitz bei der Deutschen Bank, dürfte für Weimer, dessen Vertrag bis 2024 läuft und Stand heute verlängert würde, ein weiteres Argument für den Verbleib an der Börsenspitze sein.

Was ist mit den beiden anderen W, die als denkbare Achleitner-Nachfolger herumgereicht werden? Neben Winkeljohann und Weimer noch Axel Weber, Verwaltungsratspräsident der UBS, und Frank Witter, ehemaliger VW-Finanzvorstand und seit Mai AR-Mitglied der Deutschen Bank. Weber, dessen Amtszeit bei der UBS im nächsten Jahr endet, galt schon 2012 als möglicher Nachfolger von Josef Ackermann als Deutsche-Bank-CEO, und auch 2018 wieder, als John Cryan gehen musste. Dass den ehemaligen Bundesbank-Präsidenten nun der AR-Vorsitz reizen könnte, darf bezweifelt werden. Schon eher würde man wohl Frank Witter bewegen können, im AR nicht nur als Mitglied, sondern auch als Vorsitzender zu agieren. Als langjähriger Chef der Finanzierungstochter von VW, die wegen ihrer Größe direkt von der EZB überwacht wird, wie auch als Finanzvorstand des Autokonzerns sind ihm Finanz- und Industriewelt bestens vertraut.

Amt auf Abruf?

Da bei der Deutschen Bank das Thema der europäischen Bankenkonsolidierung auf der Agenda bleiben wird, muss sich ein künftiger AR-Vorsitzender allerdings darauf gefasst machen, dass seine Position zur Verhandlungsmasse einer möglichen Fusion gehört. Bei der im April 2019 abgeblasenen Fusion mit der Commerzbank galt als wahrscheinlich, dass Sewing CEO geblieben wäre und es im AR von A zu Z gekommen wäre, sprich: der damalige Commerzbankchef Martin Zielke als AR-Vorsitzender Achleitner abgelöst hätte. Bekanntlich kam es anders – und die Deutsche Bank muss jetzt selbst die Achleitner-Nachfolge lösen. Viel Zeit bleibt nicht mehr.

c.doering@boersen-zeitung.de

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