LeitartikelLuftfahrtindustrie

Airbus fliegt in neue Dimension

Airbus wächst unter CEO Guillaume Faury strukturell in eine neue Dimension. Dafür sorgt die steigende Nachfrage im Rüstungsgeschäft.

Airbus fliegt in neue Dimension

Luftfahrtindustrie

Airbus wächst in neue Dimension

Von Stefan Kroneck

Das Rüstungs- und Raumfahrtgeschäft gewinnt an Tragweite. Die Struktur des Unternehmens wird sich grundlegend ändern.

Guillaume Faury kann zufrieden sein. Der CEO von Airbus hat die Anleger mit soliden Quartalszahlen und einer bekräftigten ambitionierten Jahresprognose überzeugt. Der Aktienkurs befindet sich im Höhenflug. Offensichtlich ist der europäische Flugzeugbauer in der Lage, trotz angespannter Lieferketten bei Triebwerken und Handelskonflikten mit den USA auf Kurs zu bleiben.

Läuft es im Kerngeschäft weiter so gut, zeichnet sich ab, dass Airbus 2026 bei den Auslieferungen auf ein Rekordjahr zusteuert. Damit hätte das Unternehmen mit Hauptsitz in Toulouse die Folgen der Corona-Krise endgültig überwunden. Im Wettstreit um die Führungsposition am Himmel hat Airbus ohnehin Boeing längst abgehängt. Der US-Rivale kämpft immer noch mit den teuren Folgen hausgemachter Probleme. Im Gegensatz zu Airbus schreibt der Konzern aus Arlington (Virginia) weiterhin tiefrote Zahlen. Boeing bleibt ein Sanierungsfall.

Ein Trend

Airbus fliegt derweil in eine neue Dimension. Zwar macht das zivile Flugzeuggeschäft rund drei Viertel des Umsatzes und des operativen Ergebnisses des Konzerns aus, doch andere Bereiche gewinnen an Tragweite. Nach Restrukturierungen liefern die Hubschraubersparte und der Verteidigungs- und Raumfahrtbereich solide Erlös- und Ergebnisbeiträge. Das verdeutlichen die Zahlen der ersten neun Monate dieses Jahres. Dabei handelt es sich keineswegs um eine kurzfristige Entwicklung, sondern um einen Trend. Dieser wird die Struktur des Unternehmens grundlegend ändern.

Das hat im Wesentlichen zwei Gründe. Erstens: In der vereinbarten Satelliten-Allianz mit Thales und Leonardo gewinnt das daraus entstehende Gemeinschaftsunternehmen mehr Schlagkraft, sich im Wettbewerb mit dem US-Anbieter Starlink von Elon Musk und chinesischen Adressen besser zu behaupten. Ein Joint Venture auf europäischer Ebene kann den drohenden technologischen Rückstand gegenüber den USA und China aufhalten. Auf diese Größenvorteile verweisen die drei daran beteiligten Unternehmen. Anbieter wie OHB aus Bremen befürchten allerdings die Verzerrung des Wettbewerbs. Das letzte Wort dazu sprechen die Wettbewerbshüter in Brüssel. Angesichts der geopolitischen Herausforderungen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die EU-Kommission dem Dreierbündnis zustimmt.

Wenig Fusionsfantasie im Rüstungsbereich

Zweitens: Die steigende Bedeutung des Rüstungsbereichs, ausgelöst durch den Angriff Russlands auf die Ukraine. Airbus fertigt insbesondere Verteidigungselektronik, Kampfflugzeuge (Eurofighter) und Militärtransportflieger (A400M). Die wachsenden Verteidigungsetats der europäischen Nato-Mitgliedstaaten sorgen für zunehmende Konzernumsätze in diesem Geschäftsbereich.

Ob die geopolitischen Umwälzungen dazu führen, dass sich europäische Rüstungskonzerne ebenfalls zu einer großen Allianz zusammenschließen, ist derweil noch offen. Der Druck wächst, vor allem im Beschaffungswesen einheitliche Strukturen zu schaffen. Nationale Interessen überwiegen aber nach wie vor. Faury ist kein Topmanager im Rüstungsgeschäft. Der Franzose ist eng verwurzelt mit dem kommerziellen Flugzeugbereich. Somit sind Initiativen von Airbus in Richtung Großfusionen im Rüstungsbereich kaum zu erwarten.

Das hat auch historische Gründe. Faurys Amtsvorgänger, Tom Enders, scheiterte vor 13 Jahren mit seinem Versuch, Airbus (seinerzeit Dachholding EADS) mit dem britischen Rüstungskonzern BAE Systems zusammenzuschließen. Damals war der Widerstand der Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel gegen das Vorhaben des Rüstungsfachmanns Enders zu stark. Die Chance, diesen Plan wiederzubeleben, ist mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU geringer denn je. Ein Vierteljahrhundert nach dem Zusammenschluss von deutschen, französischen und spanischen Luftfahrtaktivitäten zu EADS wird der Verteidigungsbereich von Airbus mehr von der wachsenden Nachfrage getrieben als von Fusionsfantasien.