Versicherungen

Allianz haucht Altersvorsorge neues Leben ein

Die sinkenden Kapitalmarktzinsen verwandeln die langlaufenden Verträge für Lebensversicherungen mit einem garantierten Zinssatz in finanzielle Zeitbomben für die Assekuranz. Die Allianz will auf diesem Gebiet dennoch punkten.

Allianz haucht Altersvorsorge neues Leben ein

Von Michael Flämig, München

Die Lebensversicherung ist der Gottseibeiuns der Aktionäre von Versicherungen. Denn die sinkenden Kapitalmarktzinsen verwandeln die langlaufenden Verträge mit einem garantierten Zinssatz in finanzielle Zeitbomben für die Assekuranz. Der zusätzliche Zins-Schock infolge der Pandemie ließ den Kapitalbedarf der Versicherer zusätzlich steigen. Derlei gilt mittlerweile als Allgemeinwissen am Kapitalmarkt. Allianz-Vorstandsvorsitzender Oliver Bäte hat dazu seine eigene Meinung: „Dies ist Unsinn.“

Mehr Geld für die Aktionäre

Nun tritt Bäte in seiner zweiten Amtszeit gerne prononciert auf. Außerdem hat der Allianz-Chef natürlich ein Interesse, das Image der wichtigen Sparte zu polieren. Doch als Bäte sein Diktum Anfang August in einer Telefonkonferenz den Analysten entgegenschleuderte, blieb der zu erwartende Widerspruch aus.

Tatsächlich setzt sich am Kapitalmarkt die Erkenntnis durch, dass die Allianz ein bisschen anders ist. Denn die Existenz finanzieller Zeitbomben möchte auch Bäte nicht bestreiten. Schwache Wettbewerber hätten tatsächlich ein Problem, die Garantien zu erfüllen, räumte er ein. Aber der Durchschnitt ist für ihn kein Maßstab. Die Allianz biete nicht nur eine großartige Marge, sondern in vielen Märkten den besten Wert, den man als Verbraucher bekommen könne: „Das wird uns zum Gewinner machen.“

Derlei Großspurigkeit lässt sich nicht nur mit der Dominanz des Allianz Lebensversicherers in Deutschland belegen, der höchstens dann Einbußen erleidet, wenn er festgeldähnliche Anlagen wie das „Parkdepot“ eindampft. Auch weltweit ist der Münchner Versicherer auf dem Vormarsch. Der Barwert der Neugeschäftsbeiträge stieg im zweiten Quartal um gut 70% auf 19,7 Mrd. Euro. Selbst wenn man Sondereffekte herausrechnet, bleibt ein Plus von 36%.

Klar, das schwache Corona-Quartal 2020 ist kein anspruchsvoller Maßstab. Doch auch ein Vergleich mit dem Vorkrisenniveau zeigt die Dynamik. Im ersten Halbjahr 2021 wurden 41,4 Mrd. Euro eingebucht, zwei Jahre zuvor waren es 32,9 Mrd. Euro – ein deutliches Plus auch dank der Sonderfaktoren im laufenden Jahr, aber eben nicht ausschließlich deswegen.

Finanzvorstand Giulio Terzariol hält mit seiner Zufriedenheit ebenso wie Bäte nicht hinter dem Berg. „Ich bin besonders stolz auf die Ergebnisse von unserer Lebensversicherung“, sagte er bei der Vorstellung der Halbjahresergebnisse. Dies zahlt sich auch für die Aktionäre aus. Denn in der Vergangenheit hat der Münchner Versicherer mit einem operativen Quartalsgewinn der Lebensversicherungssparte von 1,1 Mrd. Euro gerechnet. In der Zukunft erwarte man nun eine ähnliche Performance wie in den ersten zwei Quartalen 2021, kündigte Terzariol an. Es wurden 1,2 und 1,3 Mrd. Euro erwirtschaftet.

Die Eigenkapitalrendite in der ersten Hälfte 2021 betrug 13,0%. Die rhetorische Frage von Bäte an die Analysten: „Können Sie mir irgendeinen anderen Versicherer mit einem derartigen Buch und dieser Größe mit einer derartigen Eigenkapitalrendite in der Lebensversicherung nennen?“ Seine Antwort: „Ich kenne keinen.“

Was ist die das Erfolgsrezept? „Sie können sehen, dass wir kontinuierlich das Level der Garantien verringern“, so die Erklärung von Terzariol. Tatsächlich sinkt der Anteil der Investmentmarge, der in die Garantien fließt. Bezogen auf ein Portfolio von rund 500 Mrd. Euro waren es im zweiten Quartal und damit bezogen auf drei Monate 0,44%. Im zweiten Quartal des Vorjahres waren es mit 0,47% etwas mehr gewesen, im Jahr 2015 sogar rund 0,60%. „Alle Einheiten haben kräftig an den Produkten gearbeitet“, so die Bilanz des Finanzvorstandes. In der Folge liegt die Neugeschäftsmarge, die künftige Gewinne ankündigt, mit zuletzt erreichten 3,2% über der anvisierten Marke von 3%.

Abbau der Garantien

Beispiel Deutschland: Der Anteil von kapitalmarktnahen Produkten und Risikoprodukten am Neugeschäft stieg im ersten Halbjahr deutlich auf rund 50%. In Italien ist zu beobachten, was sich gewinnen lässt, wenn fondsgebundene Produkte (Unit-linked) florieren. Im zweiten Quartal stieg der operative Gewinn um ein Drittel auf 96 Mill. Euro, fondsgebundene Produkte legten dabei um 40% zu. Terzariol weist darauf hin, dass die Analysten Bedenken gehabt hätten, ob der Produktwandel sich mit unverändert hohen Verkaufszahlen verbinden ließe. Mit Blick auf den Absatz im zweiten Quartal erklärte er: „Dies ist der Beweis, dass wir es geschafft haben.“

Trotzdem: Der Bestand von Verträgen mit Garantien bleibt ein Problem. Manchmal allerdings gibt es überraschende Lösungen, wie die Allianz nun in Italien zeigte. Für ein Portfolio von 2,6 Mrd. Euro wurde der Garantiezins von 1,5% auf 0% gesenkt – laut Bäte dank eines speziellen Gesetzes, das eine entsprechende Reaktion auf sinkende Kapitalmarktzinsen erlaubt. Aber auch in Frankreich hat die Allianz die Abmachungen mit Bestandskunden neu verhandelt. In der Folge reduziert sich der Kapitalbedarf.

Wohin geht die weitere Reise? Beim Kapitalmarkttag am 3. Dezember will die Allianz den Pfad des Konzerns für die nächsten drei Jahre aufzeigen. Für die Sparte Lebensversicherung gehe es nicht nur darum, die Eigenkapitalrendite zu erhöhen oder das eingesetzte Kapital zu reduzieren, erklärte Bäte: „Wir wollen versuchen, die Volatilität des Kapitaleinsatzes zu verringern.“ Im Lauf der Zeit werde die Lebensversicherung nicht mehr das kapitalintensive Geschäft sein, das die Anleger gewohnt seien, sondern eher dem Asset Management ähneln.

Neu ist diese Idee für die Allianz nicht. Nun aber soll sie Realität werden. Das Versprechen von Bäte an die Analysten, mit den starken Halbjahreszahlen im Rücken: „Dieses Jahr werden wir Ihnen den Wendepunkt zeigen.“

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