Notiert inWashington

Alte Herren in mächtigen Ämtern verunsichern US-Wähler

Obwohl gut drei Viertel der Amerikaner meinen, dass Präsident Joe Biden zu alt für weitere vier Jahre im Amt ist, könnten sich nächstes Jahr die beiden ältesten Spitzenkandidaten in der Geschichte gegenüberstehen.

Alte Herren in mächtigen Ämtern verunsichern US-Wähler

Notiert in Washington

Alte Herren in hohen Ämtern

Von Peter De Thier

Seit zweieinhalb Jahren haben die USA in Joe Biden (80) einen Präsidenten, der gelegentlich stürzt, sich häufig verspricht und nicht selten Gedächtnislücken aufweist. Dazu gesellt sich nun ein republikanischer Mehrheitschef – Mitch McConnell (81) –, der vorletzte Woche vor laufender Kamera fast eine halbe Minute lang erstarrte und außerstande war, die einfache Frage zu beantworten, ob er sich 2026 für weitere sechs Jahre im Amt bewerben wolle. 

Dabei sind Biden und McConnell nicht die einzigen, die eine Debatte um Altersgrenzen für US-Politiker losgetreten haben. Mehrere Senatoren, von denen keiner Rücktrittsabsichten signalisiert hat, nähern sich ihrem 90. Geburtstag. Zudem ist durchaus möglich, dass sich im kommenden Jahr die zwei ältesten Präsidentschaftskandidaten in der Geschichte, nämlich Biden und Donald Trump, ein Duell um das höchste Amt im Lande liefern werden.  

Nikki Haley, die früher Trumps UN-Botschafterin war und sich nun mit Außenseiterchancen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur bewirbt, nimmt kein Blatt vor den Mund. „Der Senat ist das privilegierteste Altersheim Amerikas“, spottete sie, nachdem McConnell vor Reportern seinen zweiten Aussetzer binnen weniger Wochen hatte. Zuvor hatte Haley (51), für Furore gesorgt, als sie forderte, dass sämtliche Präsidentschaftskandidaten über 75 Jahren sich auf ihre geistige Kompetenz testen lassen. 

Wichtiger als die Bedenken von Haley und anderen Politikern, die auf Amtszeitsbegrenzungen – sogenannten „term ­limits“ – bestehen, sind die wachsenden Sorgen der Wähler. So ist Deborah ­Barnes, eine unabhängige Wählerin aus Alexandria im US-Staat Virginia, der festen Überzeugung, „dass McConnell zwei Mini-Schlaganfälle hatte“. Er solle sein Amt als republikanischer Oppositionschef niederlegen, sich stattdessen ausruhen „und um seine Gesundheit kümmern“, meint Barnes.

Vor McConnells Zwischenfällen war Dianne Feinstein aus Kalifornien, die mit 90 das älteste Senatsmitglied ist, außerstande gewesen, „Ja“ zu sagen, als sie ihre Stimme zum neuen Rüstungshaushalt abgeben wollte. Doch ebenso wie McConnell und andere Senioren in der oberen Kongresskammer, wo das Durchschnittsalter bei 65,3 Jahren liegt, will Feinstein von einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Amt nichts wissen.

Ähnlich denken die meister Amerikaner über Biden. Wie aus zwei neuen Umfragen, nämlich der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) und des „Wall Street Journal“ hervorgeht, sind etwa drei Viertel (77%) der US-Wähler der Ansicht, dass Biden zu alt ist, um weitere vier Jahre ein „effektiver Präsident“ sein zu können. Beiden Studien zufolge meint etwa die Hälfte, dass auch Trump, der nächstes Jahr 78 sein wird, entweder zu alt wäre oder geistig nicht fit genug. An dessen geistiger Kompetenz zweifelt keine Geringere als Trumps eigene Nichte Mary, die Psychologin ist. Sie ist sicher, dass ihr Onkel bei jenem „kognitiven Test“, von dem er als Präsident behauptete, ihn mit fliegenden Fahnen bestanden zu haben, in Wahrheit durchgefallen ist.

Beide Kandidaten, die allen Zweifeln zum Trotz die klaren Favoriten in ihren jeweiligen Parteien bleiben, illustrieren, wie sich die Zeiten geändert haben. Schließlich hieß es in den achtziger Jahren, dass Ronald Reagan zu alt für das wohl stressigste Amt im Lande sei. Dabei war der Republikaner zu Beginn seiner ersten Amtsperiode „nur“ knapp 70, also deutlich jünger als heute Biden und Trump.

Während ein Präsident nicht mehr als zwei Amtsperioden absolvieren darf, sind Senatoren und Abgeordneten keine Grenzen gesetzt. 1995 verabschiedete das Repräsentantenhaus eine Verfassungsänderung, die ein Limit eingeführt hätte, doch das Gesetz scheiterte am Senat, wo eine Zweidrittelmehrheit notwendig gewesen wäre. Experten zufolge sind die Chancen, Begrenzungen einzuführen, deswegen so gering, weil die Entscheidung darüber jenen Politikern obliegt, die selbst schon im Rentenalter sind, sich aber um jeden Preis an die Macht klammern wollen.

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