LeitartikelGeldordnung

Am Vorabend einer Währungskrise?

Direkte und indirekte Attacken auf Notenbanken, steigende Staatsverschuldung, der Siegeszug von Kryptogeld und die KI-Spekulation setzen die Geldordnung aufs Spiel und beschwören eine globale Währungskrise herauf.

Am Vorabend einer Währungskrise?

Geldordnung

Am Vorabend einer Währungskrise?

Attacken auf Notenbanken, steigende Staatsverschuldung, der Erfolg von Kryptogeld und die KI-Spekulation beschwören eine globale Währungskrise herauf.

Von Stephan Lorz

Die Akteure am Finanzmarkt und in der Politik verkennen offenbar, wie fragil die globale Währungsordnung inzwischen geworden ist. Deshalb wird in den USA munter weiter an der Unabhängigkeit der Fed gesägt, die Staatsverschuldung in den Industriestaaten rasant nach oben getrieben und werden aus fiskalischen Gründen Kryptowährungen wie Stablecoins in den Markt gepumpt, die der Aufsicht von Zentralbanken weitgehend entzogen sind. Letztere sorgen für hohe Nachfrage nach Staatsanleihen, was Regierungen erfreut. Das alles aber hat Folgen für die globale Finanzstabilität, deren Vertrauensgrundlage längst viele Risse zeigt. Schon ein eher nebensächliches Ereignis könnte so zu einer Währungskrise führen.

Den wenigsten Akteuren scheint klar, dass es sich beim „Geld“ um ein Gebilde handelt, das allein auf kollektivem Vertrauen basiert. Staaten und Zentralbanken garantieren seinen Wert: durch Integration in den Rechtsstaat, verlässliche Institutionen und eine straffe Geldpolitik, welche die Inflation in Zaum hält. Geld, wie wir es kennen, hat keinen inneren Wert, ähnelt insofern eher dem Glaubensbekenntnis einer Religion.

Attacken gegen die Fed

Doch durch staatliche Schuldenpolitik und Attacken wie die von US-Präsident Donald Trump gegen die Notenbank wird dieses Vertrauen untergraben. Der Run auf Silber und Gold sowie Bitcoin & Co. sind ein Warnsignal – eine Misstrauenserklärung gegen das traditionelle, staatlich kontrollierte Geldsystem. Dass die Position des Dollar als Weltwährung nicht mehr so gefestigt ist wie noch vor einigen Jahren, schwächt die globale Währungsordnung obendrein. Sein Anteil am Weltwährungssystem ist mit 56,3% auf den niedrigsten Stand seit 30 Jahren gefallen, während der chinesische Renminbi an Zuspruch gewinnt. US-Ökonom Kenneth Rogoff spricht vom Dollar „im späten Mittelalter seiner Vorherrschaft“.

Käme es nun in den USA zu einem exogenen Schock, könnte die Welt in eine tiefe Währungskrise rutschen. Und die Sorge ist groß, dass die aktuelle KI-Euphorie in diese Täterrolle schlüpft. Ihre gigantischen Investitionen werden bislang nur durch Hoffnungsrenditen getragen und die Prognosen enteilen der Realität; es gibt zudem Selbstreferentialitäten bei der Finanzierung und prophetische Weltbeglückungsutopien. Die Parallelen zur Dotcom-Blase sind frappierend.

Risiken via Kryptogeld

Hinzu kommt, dass die KI-Akteure stärker miteinander verschränkt sind als es damals bei den Dotcom-Firmen der Fall war. Das macht es schwer zu erkennen, wie die Risiken verteilt sind und wer wie stark involviert ist. Was bei der Finanzkrise Verbriefungen waren, sind jetzt gegenseitige Beteiligungen, enorme Geldflüsse, Kaufversprechen und zwischengeschaltete Finanzierungsvehikel bis in den Kryptosektor hinein. Letzterer stellt für sich genommen, weil weitgehend unreguliert, ein eigenes Risiko dar. Auch, weil Panik und Herdentrieb wegen der hohen Geschwindigkeit digitaler Märkte kaum zu stoppen wären.

Bis zur Finanzkrise hatten Anleger den Beteuerungen der Finanzbranche, dass sie alles im Griff hätte, noch geglaubt. Dieses Vertrauen wurde missbraucht, weshalb eine Brandmauer aus neuen Regulierungen errichtet wurde. Dass diese in den USA längst wieder durchlöchert ist und Kryptowährungen quasi Narrenfreiheit gewährt wird, sollte zu denken geben.

Europäische Brandmauer

Auch in Europa werden die Rufe nach „Deregulierung“ wieder lauter. Doch wäre es ein Fehler, auf die Verantwortung der Herde zu setzen, statt auf Institutionen. Bei der Finanzkrise war man überrascht, wie schnell die US-Immobilienkrise auf Europa übergriff und die Eurokrise auf dem Fuße folgte. Eine Brandmauer ist angesichts dessen weiter nötig; auch auf die Gefahr hin, dass heimische Institute Rendite liegenlassen müssen. Denn Geld ist nur kodifiziertes Vertrauen. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass die Ordnung nicht mehr gewahrt, ihr Vertrauen missbraucht wird, setzt eine Währungskrise alles in Brand. Klug, wer dann hinter einer Brandmauer ausharren kann.