Amerikas Bank-CEOs wandeln im Wahljahr auf schmalem Grat
Politische Äußerungen
US-Bankenchefs auf schmalem Grat
Von Alex Wehnert
Amerikas Bankenchefs müssen im Jahr der Präsidentschaftswahlen darauf achten, es mit ihrem politischen Einsatz nicht zu weit zu treiben. In den vergangenen Monaten haben die CEOs der führenden Geldhäuser ihren Einfluss in Washington wiederholt geltend gemacht, zum Beispiel im Zuge der hitzigen Debatte um höhere Kapitalvorgaben für US-Finanzdienstleister. Bei Anhörungen im Senat übten die Vorstandsvorsitzenden von J.P. Morgan, Bank of America, Citgroup, Wells Fargo, Goldman Sachs, Morgan Stanley sowie anderer führender Institute bereits im vergangenen Winter scharfe Kritik an den Plänen der Federal Reserve für die Umsetzung des globalen Bankenpakets Basel III, die für die komplexesten Geldhäuser des Landes unter anderem Aufschläge auf die Mindestquoten für das harte Kernkapital von bis zu 20% vorsahen.
Notenbank unter Druck gesetzt
Auch setzten sie ihre Interessengruppen wie das Bank Policy Institute gezielt ein, um politischen Druck auf die Notenbank auszuüben, die vom Kongress kontrolliert wird und deren Unabhängigkeit Marktstrategen in Zeiten hoher schuldenfinanzierter Staatsausgaben und insbesondere im Fall eines Wahlsiegs des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump zunehmend gefährdet sehen. Mit ihrer Einflussnahme im Kongress und bei öffentlichen Auftritten hatten die CEOs um J.P.-Morgan-Chef Jamie Dimon, der inzwischen die Rolle eines Außenministers für Corporate America einnimmt, jedenfalls durchschlagenden Erfolg.

In der vergangenen Woche sah sich die Fed gezwungen, bei ihren Plänen für höhere Kapitalvorgaben massiv zurückzurudern – und zollte dabei von den Bankchefs angeführten Bedenken Tribut, gemäß denen die Vorhaben, die weit über das internationale Basel-III-Standardwerk hinausgingen, die Wettbewerbsfähigkeit des amerikanischen Kapitalmarkts gefährden und die Kreditvergabe als Stütze der Gesamtkonjunktur eindämmen könnte. Wiewohl die Argumente der Branchenköpfe nicht von der Hand zu weisen sind, haben die Behördenvertreter ihnen mit ihrem hektischen Einlenken einmal mehr deutlich signalisiert, wie viel Gewicht ihre Stimmen in politischen und regulatorischen Prozessen haben – und ihnen damit einen zusätzlichen Anreiz geliefert, sich auch auf anderen Feldern stärker einzumischen.
Verständnis für Trump
Dimon meldet sich wiederholt mit mahnenden Worten zur Ausweitung des US-Fiskaldefizits und den Folgen für die Inflation. Zugleich äußerte er sich durchaus wohlwollend über ausgewählte Politikziele Trumps. Der ehemalige Präsident habe mit seinen Forderungen, andere Bündnispartner müssten mehr zur Nato beitragen, „irgendwie recht gehabt“ – gleiches gelte für sein Drängen auf ein härteres Einwanderungsrecht oder die handelspolitische Positionierung gegenüber China. Trumps Reformen aus dem Jahr 2018, infolge derer die Körperschaftsteuer von 35 auf 21% sank, hätten sich als wirksam erwiesen. Der Republikaner, der Dimon zuvor noch als „überbewerteten Globalisten“ bezeichnet hatte, ventilierte darauf Pläne, den J.P.-Morgan-Chef als Finanzminister in Betracht zu ziehen. Die Bank äußert sich dazu nicht.

Dimons Kollege Brian Moynihan, bei Bank of America am Steuer, ist im Weißen Haus ein gern gesehener Berater. Die Reaktion der Regierung von Präsident Joe Biden auf die Corona-Pandemie lobte der CEO öffentlich, die härtere Kartellregulierung oder Strategien zur Förderung erneuerbarer Energien bezeichnete Moynihan, dessen Geldhaus seine Auflagen zur Finanzierung von Kohleminen und Bergwerken sowie Ölförderprojekten wieder aufgeweicht hat, als geschäftsschädigend.
Kundenbeziehungen in Gefahr
Die Großbank-CEOs sehen bisher zwar davon ab, Kandidaten bei den Präsidentschafts- und Kongresswahlen klar ihre Unterstützung auszusprechen. Allerdings wandeln sie mit ihren Äußerungen und ihrer Einflussnahme auf einem schmalen Grat. Dass sie sich auf Politikfeldern wie der Banken- und Finanzregulierung öffentlich positionieren, gehört zum Job. Treten sie in anderen Bereichen aber zu offensiv auf, drohen sie Kunden und Investoren zu verprellen und in Washington für schädliche Unruhe zu sorgen. Im aufgeheizten Umfeld vor dem US-Urnengang sind sie diesem Punkt schon gefährlich nahe gekommen.
Die CEOs von Amerikas größten Geldhäusern drohen es mit ihrem politischen Engagement zu weit zu treiben.