Im BlickfeldWegen Trumps Zöllen

Amerikas Maschinenpark droht der Verfall

US-Präsident Donald Trump will vorgeblich die amerikanische Industrie stärken. Doch seine Zollpolitik führt dazu, dass Equipment für die Fertigung deutlich teurer wird – mit weitreichenden Konsequenzen.

Amerikas Maschinenpark droht der Verfall

Im Blickfeld

Amerikas Maschinenpark droht der Verfall

US-Präsident Donald Trump will vorgeblich die amerikanische Industrie stärken. Doch seine Zollpolitik führt dazu, dass Equipment für die Fertigung deutlich teurer wird – mit weitreichenden Konsequenzen.

Von Alex Wehnert, New York

Die Handelskonflikte der US-Regierung drohen langfristige Produktionsnachteile für die amerikanische Wirtschaft nach sich zu ziehen. So warnen Ökonomen und Industrievertreter davor, dass Equipment für die Fertigung infolge der von Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle deutlich teurer wird. Damit stehe zu befürchten, dass Abnehmer Anschaffungen aus dem Ausland hinauszögerten – und somit dringend benötigte Updates des US-Maschinenparks ausblieben.

„Die USA beziehen einen großen Teil ihrer Maschinen und Ausrüstung aus Deutschland“, sagt Patrick Artus, Senior Economic Advisor beim Assetmanager Ossiam, einer Tochter von Natixis Investment Managers. Zudem seien die Vereinigten Staaten von Importen aus Ländern wie Mexiko, Japan und Südkorea abhängig. „All diese Einfuhren von Investitionsgütern sind nun von Zöllen der Trump-Administration in Höhe von 15% betroffen“, führt Artus aus. Das schlage auf die Inputkosten durch – und deren Anstieg reichten Industrieunternehmen zur Hälfte an die Endabnehmer weiter, während die anderen 50% direkt die Gewinnmargen von Importeuren belasteten. 

Zölle weitergereicht

Der Druckmaschinenhersteller Koenig & Bauer äußerte sich schon im August offen über die Effekte des europäischen Handelskonflikts mit den USA. „Wir haben sehr große Aufträge in den Büchern, unter anderem von der US-Regierung für Banknoten-Druckmaschinen“, sagte Vorstandschef Stephen Kimmich seinerzeit im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Doch Bestellungen würden deutlich teurer. „Wir geben die Zölle eins zu eins an unsere Kunden weiter“, sagt Kimmich. „Unsere Hauptwettbewerber sitzen in der EU, in der Schweiz und in Japan. Auch deren Maschinen werden mit Zöllen belegt, die teils noch höher sind.“

Stephen Kimmich ist seit dem 4. Juni CEO von Koenig & Bauer. Er ist seit 2020 als CFO im Unternehmen.
Stephen Kimmich ist seit dem 4. Juni CEO von Koenig & Bauer. Er ist seit 2020 als CFO im Unternehmen.
Quelle: Deutsche Börse/Martin Joppen

Doch nicht nur die Zölle schlagen ins Kontor, sondern auch der schwache Dollar. „Unsere Maschinen sind für unsere US-Kunden also faktisch 30% teurer geworden binnen eines halben Jahres“, führte Kimmich aus. Laut Ökonom Artus rollen auch auf andere industrielle Abnehmer durch die Abwertung des Greenbacks Kosteneffekte zu. „Grundsätzlich können wir annehmen, dass der Preis von Ausrüstung und Maschinen für Importeure aus der amerikanischen Industrie um rund 10% steigt“, sagt Artus. Der Anteil der Einfuhren an den gesamten Equipment-Investitionen liege bei 30%. „Der Preisanstieg ist über die Breite der US-Wirtschaft betrachtet also nicht dramatisch, aber er tut doch empfindlich weh“, betont Artus.

Anschaffungen hinausgezögert

In der Folge fehlen deutschen Maschinenbauern Aufträge. „Was teurer wird, wird weniger gekauft“, sagte Kimmich im August. „Es ist aber kein Einbruch; das Geschäft ist nicht auf null runtergegangen.“ Unklar sei, ob die Kunden ihre Maschinen länger laufen ließen. In anderen Branchen zeigt sich, dass Abnehmer Neuanschaffungen zurückstellen – Eva Scherer, CFO von Daimler Truck, machte dies im Juli auf dem Kapitalmarkttag in North Carolina als Bremse für den US-Lastwagen-Absatz aus. „Die Kunden warten ab, wie sich die Kostenstruktur entwickelt, und fahren die Lkw in ihrem Bestand im Zweifel etwas länger“, sagte Scherer der Börsen-Zeitung. Seither hat sich die Zollsituation für die Lkw-Branche noch verschärft.

Laut Ökonom Artus lässt sich nicht pauschal beantworten, ob Industrieunternehmen dem adversen Effekt der „Tariffs“, ihre höheren Inputkosten, auch langfristig durch eine Verschiebung von Equipment-Anschaffungen begegnen werden. Schließlich seien viele Zweige des verarbeitenden Gewerbes komplex, Lieferketten ließen sich nicht über Nacht anpassen.

Umzug der Fertigung als schwieriges Projekt

Dies bedeutet indes auch, dass es für deutsche Unternehmen nicht einfach ist, den Zolldruck durch Aufbau eigener Produktionskapazitäten innerhalb der USA zu lindern – zumal solche Projekte Jahre dauern können und sich die handelspolitische Situation zu diesem Zeitpunkt schon wieder geändert haben kann. Ähnlich äußerte sich zuletzt auch Koenig-&-Bauer-CEO Kimmich. „Unsere Maschinen sind sehr komplex und sehr groß“, sagte der Vorstandschef. „Es ist deshalb schwer, eine komplette Fertigung oder eine Montagestraße in den USA aufzubauen. Das gilt aber auch für unsere Wettbewerber.“

Wie lange amerikanische Industrieunternehmen an Maschinerie festhalten, wenn die Kostenkalkulation für sie aufgeht, zeigen bis in den Zweiten Weltkrieg zurückreichende Beispiele. Das US-Militär entdeckte damals, wie Nazi-Deutschland leichte Materialien für Kampfjets herstellte, die einen für die Zeit enorm hohen Performance-Standard aufwiesen: Mit riesigen Hydraulikpressen, durch die sich empfindliche Metalle wie Aluminium und Magnesium formen ließen.

Nachhall des Kalten Kriegs

Die Sowjetunion machte den gleichen Fund und transportierte die größte deutsche Schmiedepresse ab, während die Amerikaner auf Basis ihrer Entdeckungen ein eigenes „Heavy Press Program“ starteten. Daraus ging ein von Mesta Machinery bei Wyman-Gordon gebautes Gerät mit einer Kapazität von 50.000 Short Tons hervor. Und die Schmiedepresse, die im Jahr 1955 den Betrieb aufnahm, überlebte nicht nur den Kalten Krieg – Betreiber Alcoa steckte 2008 nach einer vorübergehenden Schließung 100 Mill. Dollar in Reparatur- und Redesign-Arbeiten, die 2012 abgeschlossen wurden. Noch heute formt die „Fifty“ in Cleveland, Ohio, Fliegerteile für die Air Force.

Historiker und Volkswirte betonen, dass Produktionsgeräte also nicht schlecht sein müssen, weil sie alt sind. Allerdings handle es sich bei der Cleveland-Schmiedepresse, die bereits 1981 zum Industriewahrzeichen erklärt wurde, auch um eine sehr spezielle Anlage mit militärischer Signifikanz und sentimentalem Wert. An anderen Standorten beeilten sich industrielle Produzenten spätestens nach Verabschiedung des Enterprise Integration Act von 2002, der die Grundlage für „Smart Manufacturing“ schaffen sollte, ihr Equipment zu modernisieren.

Fortschritt abgewürgt

Eine neue Update-Welle rollte infolge großvolumiger Fiskal- und Subventionsprogramme ab 2020 an, doch laut Ökonomen wie Artus droht die Politik der US-Regierung den Fortschritt abzuwürgen. Bereits in der ersten Hälfte des laufenden Jahres habe sich gezeigt, dass das Wachstum der Investitionen von US-Unternehmen in industrielle Ausrüstung signifikant abgenommen habe. „Die finanzielle Situation ist eben eine ganz andere als in der IT-Branche, deren Vertreter die Hälfte des jährlichen BIP-Wachstums der USA generieren und sich zum Beispiel Chip-Importe auch zu höheren Preisen noch leisten können“, sagt der Ossiam-Berater.

Schon heute seien die Maschinenparks der amerikanischen Produzenten folglich weit weniger modern als jene ausländischer Konkurrenten. Ob Europa daraus einen Wettbewerbsvorteil generieren könne, sei allerdings fraglich. „Die Investitionen in die europäische Fertigung sind ebenfalls auf dem Rückgang, vielmehr fließen in größerem Stil Mittel nach Südostasien“, führt Artus aus.

Patrick Artus ist Senior Economic Advisor beim Vermögensverwalter Ossiam.
Patrick Artus ist Senior Economic Advisor beim Vermögensverwalter Ossiam.
Ossiam

Für US-Endabnehmer industriell gefertigter Produkte stünden indes noch klar inflationäre Entwicklungen bevor. „Zölle beschränken den Wettbewerb aus dem Ausland – das macht es auch für inländische Zulieferer einfacher, ihre Margen über Preiserhöhungen anzukurbeln“, sagt Artus. In diesem Teil der Industrie seien die Aktienbewertungen schon über den historischen Durchschnitt gestiegen. Doch droht dies zum Nachteil der langfristigen Leistungsfähigkeit der US-Produktion zu gehen, deren Stärkung sich Trump auf die Fahnen geschrieben hat.