Amerikas spekulativster Häusermarkt
Notiert in Jackson Hole
Amerikas spekulativster Häusermarkt
Von Alex Wehnert
Der stolze Elchbulle hat endlich genug von der Zitterpappel, deren Blätter er in den vergangenen Minuten mit Gusto abgemampft hat. Während die goldene Sonne die ersten Strahlen des jungen Tages über die Berggipfel und Hügel im Grand-Teton-Nationalpark wirft und der vom vielfach gewundenen, glitzernden Snake River durchschnittenen rauen Landschaft einen magischen Glanz verleiht, schreitet der majestätische Riesenhirsch die Böschung hinab und nähert sich ohne Scheu der Gros Ventre Road, auf der Automobile und Kleinbusse angehalten haben, um das Naturschauspiel zu verfolgen.
Private Enklaven im Nationalpark
Auch Fotograf und Tourguide Ryan Kempfer hat hier sein Stativ aufgebaut. Er weiß, dass es sich bei dem Elch um „Hoback“ handelt – den an seiner speziellen Geweihform und einem im Kampf davongetragenen Schaden an seinem rechten Ohr erkennbaren König des Parks. Ryan hat seinen Gästen indes noch zahlreiche Attraktionen zu präsentieren, darunter Bisons, Wapiti-Hirsche und Gabelböcke. Einige der kuriosesten Sehenswürdigkeiten rufen bei den Mitfahrern in seinem Van hingegen nur beiläufiges Interesse hervor: Die versprengten Häuser im Nationalpark, die sich noch in privater Hand befinden.
Die rustikalen Gebäude sind Teil von Amerikas wohl spekulativstem Immobilienmarkt. Die Grundlage für dessen Entstehung schufen Franklin D. Roosevelt und Harry S. Truman. Erstgenannter US-Präsident erklärte das Tal Jackson Hole 1943 zum nationalen Monument, sein Nachfolger legte dieses 1950 mit dem Nationalpark zusammen. Den Eignern von über 5.200 Hektar Grundfläche, die sich plötzlich auf mit strikteren Nutzungsregeln belegtem Bundesgebiet befanden, schmeckte das gar nicht. Doch kaufte der National Park Service ihnen ihre Grundstücke über die folgenden Jahrzehnte ab – heute existieren noch rund 100 private Enklaven im Park, die großteils in Händen des Staats Wyoming sind.
Häuserpreise steigen
Doch die verbleibenden privaten Besitzer, so erklärt es Guide Ryan, rechnen sich einen großen Zahltag aus. Denn in 25 Jahren liefen Wohnvereinbarungen für das Land ab, die Grundbesitzer wie die Familie Craighead mit der US-Regierung geschlossen hätten. Bis dahin muss Washington die Parzellen zurückkaufen. Sie könnten Abermillionen wert sein – und die Spekulation darauf, dass die Eigentümer den Geldregen in angrenzenden Gemeinden wie Jackson reinvestieren, treibt die Häuserpreise dort bereits beträchtlich.
Doch beäugen die Grundbesitzer die Schieflage der amerikanischen Staatsfinanzen mit Sorge. Angesichts von Budgetkürzungen beim National Park Service stellt sich ihnen die Frage, woher die Mittel für neue Immobilienkäufe kommen sollen. So machen bereits Bedenken die Runde, dass Washington die Parzellen einfach mit je 50.000 Dollar bewerten und die Bewohner enteignen könnte – trotz des Risikos daraus resultierender Rechtsstreitigkeiten. Elchbulle „Hoback“, der sich mit Revierkämpfen bestens auskennt, enthält sich bis jetzt allerdings einer Meinung zu der Immobilienspekulation in Jackson Hole.