Bierindustrie

Anheuser-Busch Inbev stutzt das Deutschland-Portfolio

Der Bierabsatz in Deutschland geht seit Jahrzehnten zurück. Der Branchenführer weltweit, Anheuser-Busch Inbev, könnte neben dem angestrebten Verkauf kleinerer Marken wie Hasseröder auch vor der Abgabe der Premium­marke Beck’s stehen.

Anheuser-Busch Inbev stutzt das Deutschland-Portfolio

Von Martin Dunzendorfer,

Frankfurt

Obwohl die Deutschen noch immer als große Biertrinker gelten, sinkt der Absatz hierzulande seit 1999 kontinuierlich. Geht man noch weiter zurück, offenbart sich ein drastischer Rückgang: Lag der Pro-Kopf-Verbrauch an Bier 1980 bei 146 Liter, so waren es 2020 laut Statista nur noch 94,6 (i.V. 99,7) Liter. Zwar ist der jüngste Absatzschwund auch auf die zeitweilige Schließung der Gas­tronomie infolge der Corona-Pandemie sowie unzählige ausgefallene Veranstaltungen wie Volksfeste zurückzuführen. Bestimmend für den Abwärtstrend ist aber, dass immer mehr Verbraucher auf ihre Gesundheit achten und daher weniger Alkohol trinken. Zudem greifen junge Menschen verstärkt zu Energydrinks und Ähnlichem statt zu Bier. 

Nicht mehr als ein Mitläufer

Obwohl mit Beck’s, Franziskaner und Hasseröder immerhin drei der beliebtesten Marken in Deutschland aus dem Portfolio von Anheuser-Busch Inbev stammen, kommt der größte Bierkonzern der Welt ausgerechnet in Deutschland – dem Land des Oktoberfestes, des Reinheitsgebots und der Region mit der weltweit höchsten Brauereidichte (Oberfranken) – nicht über den Status eines Mitläufers hinaus. Damit ist AB Inbev nicht zufrieden, strebt das Unternehmen doch auf jedem Markt, auf dem es vertreten ist, eine dominierende Position an. Hinzu kommt, dass der Absatz der eigenen Marken seit Jahren rückläufig ist. Daher hat der Konzern schon mehrfach versucht, sein Deutschland-Portfolio aufzuräumen.

Neben der 2001 von der damaligen Interbrew für 3,5 Mrd. D-Mark (1,8 Mrd. Euro) übernommenen und international vertriebenen Traditionsmarke Beck’s und der vor allem für ihr Weißbier bekannten Brauerei Franziskaner gehören AB Inbev noch fünf deutsche Marken. Löwenbräu, das im Ausland recht bekannt ist und wohl vor allem deshalb in über 70 Ländern vertrieben wird, bekommt in Deutschland schon lange keinen Boden mehr unter die Füße. Hasse­röder, ein aus Ostdeutschland stammendes Bier, wurde wegen enttäuschender Absatzentwicklung schon mehrfach zum Verkauf angeboten. Meist scheiterte ein Deal an den zu hohen Preisvorstellungen des im belgischen Löwen ansässigen Konzerns. Die Marken Diebels (Altbier vom Niederrhein) und Haake-Beck (Pils aus der Region Bremen/Weser-Ems) mögen in ihrer Heimatregion nachgefragt werden, abseits davon sind sie aber kaum zu finden. Dasselbe gilt für das „Münchner Hell“ von Spaten.

Vor vier Jahren hatte sich AB Inbev mit einer Investorengruppe schon auf den Verkauf der Marken Hasse­röder und Diebels mitsamt den Brauereien geeinigt, doch weil der Käufer – die CK Corporate Finance Gruppe – bis Mitte 2018 nicht allen Vertragsleistungen für den Abschluss der Transaktion nachgekommen war, platzte der Deal. Im Gegensatz zu Hasseröder und Diebels sind bei Beck’s und Haake-Beck (Region Bremen) bzw. Franziskaner, Spaten und Löwenbräu (München) Synergieeffekte zu vermuten, die zu niedrigeren Kosten in der Produktion führen.

Im vergangenen Herbst wurde bekannt, dass AB Inbev erneut auf der Suche nach Käufern ist – diesmal stehe neben Hasseröder auch Franziskaner und Spaten im Schaufenster (vgl. BZ vom 6.10.2021). Die drei deutschen Marken könnten nach früheren Schätzungen zusammen rund 1 Mrd. Euro wert sein.

Beck’s im Schaufenster?

AB Inbev, die mehr als 500 Marken im Portfolio hat, führt seit kurzem nur noch drei globale Marken auf: das aus Belgien stammende Stella Artois, das 2008 mit der Übernahme von Anheuser-Busch durch Inbev zum Konzern gekommene Budweiser und das mexikanische Corona. Beck’s, das jahrelang als vierte Marke zu diesem Kreis gehörte, wird nicht mehr genannt. Erklärbar wird dies, wenn man Informationen aus Finanzkreisen Glauben schenkt, dass sich AB Inbev auch nach einem Käufer für Beck’s umsieht.  

Ein Verkauf von Beck’s wäre eine Zäsur. Es würde wohl den völligen Rückzug von AB Inbev aus dem fünftgrößten Biermarkt weltweit einleiten. Anders als für seine kleineren deutschen Marken könnte der Konzern für Beck’s auf attraktive Angebote in Milliardenhöhe hoffen. Doch es wäre kein günstiger Zeitpunkt für den Verkauf: Im Vorcoronajahr 2019 wurden in Deutschland über 2,5 Millionen Hektoliter Bier der Marke Beck’s verkauft. Auf dieser Basis wird AB Inbev in mögliche Verkaufsverhandlungen einsteigen. Ob sich Interessenten darauf angesichts der seither starken Absatzverluste im Biermarkt einlassen, steht auf einem anderen Blatt. Gemäß dem Beratungsunternehmen Brand Finance ist der Markenwert von Beck’s allein im Jahresvergleich bis Mai 2021 um 27% gesunken. Das führte im Ranking der 100 wertvollsten deutschen Marken zu einem Rutsch auf Platz 97 (i.V. 83). Zum Vergleich: Radeberger, der Marktführer in Deutschland, liegt an 77. (61.) Stelle.  

Dass AB Inbev Geld braucht, ist bekannt. Der Konzern hat sich mit der 2016 vollzogenen Übernahme der damaligen Nummer 2, der britisch-südafrikanischen SABMiller, für etwa 100 Mrd. Dollar übernommen, auch wenn das Unternehmen die Akquisition als Erfolgsstory verkauft. Die Belgier erwarben den Erzrivalen zu einer Zeit, in der die börsennotierten Brauereigruppen auf Rekordniveau notierten und entsprechend hohe Preise gezahlt werden mussten. Finanziert wurde der Deal vor allem über Bondemissionen. Seither sitzt AB Inbev auf einem Schuldenberg, den abzutragen viel schwerer fällt als angenommen. Jede operative Schwäche lässt die Sorgenfalten bei Investoren tiefer werden.

Immerhin ist es dem Unternehmen trotz der Pandemie gelungen, den Verschuldungsgrad (Nettofinanzschulden zum Ebitda) per Ende Juni 2021 auf das 4,4-Fache zurückzuführen. Dass die Ratingagenturen AB Inbev noch mit Investment Grade bewerten, dürfte an der Selbstverpflichtung des Konzerns liegen, den Verschuldungsgrad auf das Zweifache senken zu wollen. Um das zu erreichen, muss man sich wohl von Spitzenmarken wie Beck’s trennen.

Größte Brauereigruppen
Bierausstoß 2020 weltweit
in Mill. hl
1. Anheuser-Busch Inbev 467,4
2. Heineken221,6
3. Carlsberg 110,1
4. China Resources Snow 106,9
5. Molson-Coors 84,5
. ..
22. Radeberger 11,1
24. TCB Beteiligungsges.* 8,6
25. Oettinger 8,5
31. Krombacher 6,0
32. Bitburger 5,9
33. Paulaner 5,7
39. Warsteiner 3,2
40. Veltins 2,9
*) u.a. Feldschlößchen, Gilde Quelle: BarthHaas Börsen-Zeitung
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