KolumneKünstliche Intelligenz

Arbeiten Softwareingenieure bald auf dem Dach statt am Rechner

Ironie der Geschichte: Softwareprogrammierer haben KI erst möglich gemacht. Jetzt macht die KI sie arbeitslos. Künftig sind andere Fähigkeiten gefragt.

Arbeiten Softwareingenieure bald auf dem Dach statt am Rechner

Auf dem Dach
statt am Rechner

Von Sebastian Schmid

Künstliche Intelligenz

Verschwende nicht Deine Zeit damit, zu lernen, wie du programmierst.“ Nvidia-CEO Jensen Huang hat den Satz bereits Anfang 2024 ausgesprochen. Damals war das vielleicht noch eine exotische Meinung. Mittlerweile ist sie selbst in der Softwareindustrie angekommen. Noch vor kurzem konnten Softwareingenieure Spitzengehälter aufrufen und sich den Arbeitsplatz praktisch aussuchen. Keine Lust umzuziehen? Kein Problem, hieß es in den vergangenen Jahren oft. Hauptsache, die seltene Personalressource entschied sich für das Unternehmen. Mit generativer Künstlicher Intelligenz hat sich die Lage um 180 Grad gedreht. Oder wie ein Manager eines großen IT-Hauses jüngst erklärte: Ein Problem, das ein guter Softwareingenieur in zehn Tagen löst, schafft eine gute KI in einer halben Stunde.

Ironie der Geschichte: Softwareingenieure, die KI erst möglich gemacht haben, werden als erstes von ihr ersetzt. Ihre Tätigkeit, die eben noch viel wert war, mutiert binnen kürzester Zeit zum Privatvergnügen. Denn Firmen werden es sich schlicht nicht leisten können, die Zeit mit menschlicher Arbeitsgeschwindigkeit zu vertrödeln. Der Mehrwert, dass ein Mensch etwas tut, ist nur beim persönlichen Kontakt gegeben. Beim Programmieren fällt er weg.

Domain Knowlegde gefragt

Für Menschen muss der Fokus also künftig auf anderen Aufgaben liegen. Domain Knowledge in einem bestimmten Geschäft wird entscheidend, Methodenkompetenz nachrangig. Zumindest bei Office-Tätigkeiten. Denn im Prinzip wird jeder Mitarbeiter zum Leiter eines eigenen kleinen Teams von KI-Helfern. Das erfordert eine andere Agilität, sowohl in den Konzernstrukturen als auch bei den Beschäftigten.

Muss also jeder künftig Teamleiter werden? Das nicht. Wer sich in der Rolle nicht wohl fühlt, dürfte in praktischen Berufen nicht nur mehr Erfüllung sondern womöglich auch bessere Bezahlung finden. KI könnte damit indirekt helfen, den akuten Handwerkermangel zu bekämpfen, der in Deutschland die Konjunktur und den Infrastrukturausbau bremst. Was vor kurzem noch wie ein Scherz geklungen hätte, ist vielleicht bald schon Realität: Studierter Softwareingenieur schult um zum Dachdecker. Vielleicht lassen sich so auch mittelbar Probleme im Gesundheitswesen lösen. Schließlich sind viele Zivilisationskrankheiten mit den überwiegend sitzenden Tätigkeiten im Büro verbunden. Unbeabsichtigte Nebenwirkungen können zuweilen auch positiv ausfallen – sogar bei KI.