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Aufgeschobene Wende

Wahrscheinlich sollten die Spitzen, die die Anleiherenditen nun erreichen oder in den kommenden Wochen noch erklimmen werden, zum Anlass genommen werden, die Duration ein Stück weit zu erhöhen.

Aufgeschobene Wende

Marktteilnehmer, die auf eine Wende nach unten bei den Zinsen und damit auf eine ertragreiche Entwicklung an den Staatsanleihemärkten warten, sehen sich einer Geduldsprobe ausgesetzt. Aufgrund des eher zäh verlaufenden Rückgangs der Inflation und des beharrlich vorgetragenen Vorrangs der Bekämpfung der Teuerung seitens der Notenbanken haben sie sich bereits seit längerem von der Erwartung verabschiedet, dass die Währungshüter – beginnend mit der Fed – bereits in der zweiten Jahreshälfte beginnen werden, ihre Leitsätze zu senken. Zuletzt mussten sie aber auch die Vorstellung ad acta legen, dass die US-Zentralbank mit ihren Anhebungen das Ende der Fahnenstange erreicht hat, nachdem sie auf ihrer zurückliegenden Sitzung ihren Zinserhöhungszyklus unterbrochen hat. Überraschend starke Konjunkturdaten in den Vereinigten Staaten, der dort sehr robuste Arbeitsmarkt und die vom Fed Chairman Jerome signalisierten ein bis zwei noch anstehenden Zinsschritte haben dazu geführt, dass nun erwartet, wird, dass die Notenbank das zweite Halbjahr mit einer weiteren Erhöhung der Fed Funds Rate um 25 Basispunkte starten wird.

Vor allem das kurze Laufzeitensegment hat darauf negativ reagiert, die Verzinsung zweijähriger Bundesanleihen ist auf 3,25% hochgelaufen. Wahrscheinlich sollten die Spitzen, die die Anleiherenditen nun erreichen oder in den kommenden Wochen noch erklimmen werden, jedoch zum Anlass genommen werden, die Duration ein Stück weit zu erhöhen. Die noch positiv überraschenden Konjunkturdaten und hartnäckigere Inflation als erwartet führen vor Augen, dass ein exaktes Markttiming kaum möglich ist. Eines ist jedoch sicher: Die Inflation wird deutlich zurückgehen, insbesondere weil die Energiepreise sehr deutlich gesunken sind, was mit Verzögerung auch den Druck von der Kerninflation nehmen wird. Zudem ist wohl auch der volle Effekt der hohen Zinsen auf die Realwirtschaft, wahrscheinlich nur aufgrund von Verzerrungen wegen der Verwerfungen durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg, lediglich verzögert worden. Auch von konjunktureller Seite sollte es daher über kurz oder lang positive Impulse für den Staatsanleihemarkt geben. Aufgeschoben ist eben nicht aufgehoben.

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Aufgeschobene Wende

Von Christopher Kalbhenn