LeitartikelArbeitskampf

Automarkt vor neuem Showdown

Die Gewerkschaft UAW strebt nach ihren jüngsten Erfolgen im Tarifstreit mit Ford, GM und Stellantis nun eine gewerkschaftliche Organisation von Tesla-Arbeitern an. In Elon Musk stößt sie dabei aber auf einen harten Gegner. Der Ausgang des Konflikts dürfte weitreichende Auswirkungen auf den gesamten Automarkt haben.

Automarkt vor neuem Showdown

Arbeitskampf

Neuer Showdown am US-Automarkt

Der bevorstehende Kampf um eine Organisation von Tesla-Arbeitern dürfte weitreichende Auswirkungen in der Branche haben.

Von Alex Wehnert

Die US-Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) hat im Tarifstreit mit Ford, General Motors und Stellantis historische Siege errungen – an ihrer nächsten großen Herausforderung droht sie sich aber die Zähne auszubeißen. Denn am amerikanischen Fahrzeugmarkt bahnt sich ein epischer Showdown zwischen der Arbeitnehmerorganisation und Elon Musk an. Der von dem Milliardär geführte E-Autobauer Tesla gilt unter Ökonomen als größte Gefahr für die Entwicklung von Löhnen und Zusatzleistungen der UAW-Mitglieder.

Schließlich ist die US-Belegschaft von Tesla bislang nicht organisiert. Dies führt zu erheblichen Unterschieden beim Verdienst: Bei Ford, GM und der Stellantis-Tochter Jeep erhalten Arbeiter im Durchschnitt 61 bis 77 Dollar an Löhnen und betrieblichen Leistungen pro Stunde, beim Elektro-Vorreiter sind es 55 Dollar. Auch aufgrund der niedrigen Personalkosten kann Tesla die Kundennachfrage durch aggressive Discounts ankurbeln. Dies macht die Preise im gesamten Elektro-Segment kaputt, in dem das Musk-Unternehmen 60% der US-Marktanteile kontrolliert. Damit sind wiederum die Möglichkeiten traditioneller Autobauer, zukünftig noch in großem Stil Leistungen anzuheben, begrenzt.

Dies gilt insbesondere, nachdem UAW mit den Autoriesen von Detroit zuletzt eine Lohnerhöhung um 25% und Anpassungen an steigende Lebenshaltungskosten ausgehandelt hat. UAW-Chef Shawn Fain dürfte das Momentum aus den Tarifverhandlungen ausnutzen wollen, um eine gewerkschaftliche Organisation von Arbeitnehmern bei Tesla sowie in den US-Produktionsstätten ausländischer Konzerne wie Volkswagen in Angriff zu nehmen. Doch die dortigen Stundenarbeiter auf seine Seite zu bekommen, dürfte für Fain nicht einfach werden.

Die Gewerkschaftsbildung gestaltet sich in den USA nämlich weitaus komplizierter als in Europa. Sektorweite Tarifverhandlungen gibt es in der Regel nicht, stattdessen verhandeln Gewerkschaften für betroffene Mitglieder mit einzelnen Arbeitgebern. Damit UAW in neuen Betrieben vertreten sein könnte, müssten dort jeweils mindestens 30% der Beschäftigten eine Mitgliedskarte unterschreiben, anschließend käme es zu einer von der zuständigen Bundesbehörde NLRB überwachten Abstimmung.

Doch große Arbeitgeber besitzen die nötige Macht, um die vorausgehenden Organisationsbemühungen erheblich zu stören oder zu unterbinden – und scheuen in der Regel nicht davor zurück, diese einzusetzen. Einzelne Arbeiter, die sich für Gewerkschaftsbeitritte starkmachen und Kollegen zu einem solchen Schritt aufrufen, müssen schwere Repressalien und sogar eine Entlassung fürchten.

Dies zeigt sich besonders eindrücklich bei Tesla: Das NLRB hat angeblich illegale oder unzulässige Anti-Organisationstaktiken des Elektro-Vorreiters wiederholt angemahnt – darunter Verhöre von Mitarbeitern, die Gewerkschaftsbeitritte unterstützen. Ernste rechtliche Konsequenzen für den Autobauer ergeben sich daraus bisher nicht. Vielmehr entließ Tesla im Februar 30 Mitarbeiter des Werks in Buffalo. Die Betroffenen bezeichneten den Schritt als Vergeltungsschlag für ihre Bemühungen, die erste US-Gewerkschaft innerhalb des Konzerns zu gründen. Tesla behauptete dagegen, die Entlassungen seien Ergebnis einer Performance-Prüfung, die den Organisationsbemühungen vorausgegangen sei.

Musk betont indes, seine Stundenarbeiter seien besser gestellt als die UAW-Mitglieder. Denn Tesla-Beschäftigte erhalten Aktienzuteilungen, die angesichts eines Kurszuwachses von mehr als 100% im laufenden Jahr wieder äußerst attraktiv geworden sind. Allerdings können Arbeiter die Optionen erst nach vier Jahren ausüben, was sie an das Unternehmen bindet. Der Anreiz, sich in diesem Zeitraum für Gewerkschaftsbeitritte einzusetzen, sinkt damit zusätzlich. UAW steht bei ihren Organisationsbemühungen also vor einem harten Kampf und ist darauf angewiesen, dass der Regulator Arbeitnehmer effektiver schützt als bisher. Investoren tun gut daran, den bevorstehenden Konflikt genau zu verfolgen. Denn der Showdown zwischen Fain und Musk dürfte die Kostenstruktur und damit die Konkurrenzsituation im Automarkt entscheidend beeinflussen.

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