Notiert inBrüssel

Autoschieber im Visier der Steuerfahnder

Pünktlich zu ihrem zweiten Geburtstag kann Europas Staatsanwaltschaft einen spektakulären Ermittlungserfolg vorweisen.

Autoschieber im Visier der Steuerfahnder

Notiert in Brüssel

Operation "Huracán"

Von Stefan Reccius

Sie sprechen von der Operation "Huracán": Ermittlern in sieben europäischen Ländern ist ein Schlag gegen ein Netzwerk mutmaßlicher Autoschieber gelungen. Mitte Juni rückten sie zu mehr als 450 Durchsuchungen aus und nahmen fünf Personen fest, die sie des Mehrwertsteuerbetrugs in Millionenhöhe verdächtigen. Vor einigen Tagen folgte ein Nachbeben mit weiteren vier Festnahmen in Frankreich und den Niederlanden.

Pünktlich zu ihrem zweiten Geburtstag kann Europas Staatsanwaltschaft somit einen spektakulären Ermittlungserfolg vorweisen. Die Behörde gibt es noch nicht lange, sie hat Mitte 2021 ihre Arbeit aufgenommen. Laut ihrem ersten Jahresbericht aus diesem Frühjahr hat sie seitdem mehr als 1.000 Ermittlungsverfahren in ganz Europa aufgenommen, die geschätzte Schadenssumme übersteigt 14 Mrd. Euro.

Autoschieber im Visier

Wöchentlich kommen neue Fälle hinzu. Gewöhnlich sind sie von überschaubarer Dimension, zumindest gemessen an der Größenordnung der Steuerhinterziehung in der EU, die die Polizeibehörde Europol allein im Bereich des Mehrwertsteuerbetrugs auf grob 50 Mrd. Euro jährlich schätzt. Mal geht es um Material für Drucker in Italien, mal um Desinfektionsmittel in Tschechien, mal um E-Bikes in Frankreich.

Die nun bekannt gewordene Operation "Huracán" ist von ungleich größerer Dimension. Sie verdankt ihren Namen einem Luxusauto aus dem Hause Lamborghini. Die Ermittlungen haben ihren Ursprung im Januar 2021 – kurz vor der Geburtsstunde der Europäischen Staatsanwaltschaft, die auf das Akronym EPPO (European Public Prosecutor's Office) hört. Seinerzeit erhielt das deutsche Bundeszentralamt für Steuern einen Hinweis von Kollegen aus Italien: Es ging um verdächtige Vorgänge beim Handel mit angeblichen Gebrauchtwagen zwischen Italien und Deutschland. Der Verdacht: Steuerhinterziehung.

Die Europäische Staatsanwaltschaft zog den Fall an sich. Das EPPO-Büro in Köln leitete die Ermittlungen. Die Steuerfahnder deckten nach eigenen Angaben ein Netzwerk von Autoschiebern auf, das quer durch Europa einträgliche, aber nicht ganz saubere Geschäfte machte. Etwa 60 Personen stehen nun in Verdacht, im grenzüberschreitenden Handel mit schätzungsweise 10.000 Luxuskarossen Millionengewinne zulasten der Steuerzahler eingestrichen zu haben. Die Geschäfte liefen laut Europäischer Staatsanwaltschaft seit 2017.

https://twitter.com/zoll_info/status/1668927136478969856

Ihre Masche: Neuwagen von Online-Händlern landen über dubiose Zwischenhändler zu überhöhten Preisen im europäischen Ausland. Dort verkaufen Strohmänner den Wagen weiter an nichts ahnende Endkunden, ohne die eigentlich fällige Mehrwertsteuer abzuführen. Bis die nationalen Steuerbehörden ihnen auf die Schliche kommen, haben sie sich längst aus Unternehmensregistern löschen lassen und sich aus dem Staub gemacht.

Zig Millionen Euro Schaden

Laut Europäischer Staatsanwaltschaft haben die Beteiligten auf diese Weise zig Millionen Euro Steuern hinterzogen. Im Zuge der Razzien in Belgien, Deutschland, Ungarn, Italien, den Niederlanden, Portugal und Spanien berichteten sie anfänglich von mindestens 38 Mill. Euro an nicht gezahlter Mehrwertsteuer. Tage später ermittelten sie in den Niederlanden und Frankreich weitere 19 Mill. Euro an Schaden für die Staatskassen. Neben Autos beschlagnahmten sie andere Luxusgüter und eine Millionensumme an Bargeld.

https://twitter.com/EUProsecutor/status/1671069077370990592

Der Chefin der Europäischen Staatsanwaltschaft, Laura Kövesi aus Rumänien, kommen solche Ermittlungserfolge entgegen. Denn so kann sie glaubhaft auf mehr Geld aus dem EU-Haushalt und zusätzliches Personal dringen. "Wir sind auf dem richtigen Weg, aber wir müssen mehr tun", hatte sie vor wenigen Monaten aus Anlass des ersten Jahresberichts gesagt.

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