LeitartikelInvestitionen

Autozulieferer sind zu höherer Profitabilität verdammt

Die europäischen Autozulieferer verdienen zu wenig. Das erschwert Investitionen und bringt auch Risiken für die Fahrzeughersteller mit sich.

Autozulieferer sind zu höherer Profitabilität verdammt

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Zu mehr Profitabilität verdammt

Von Joachim Herr

Die europäischen Autozulieferer verdienen zu wenig. Das erschwert Investitionen und birgt Risiken für die Fahrzeughersteller.

Für die Automobilzulieferer ist 2023 das vierte schwierige Jahr in Folge. Und das mitten im Wandel zur Elektromobilität. Die missliche Lage vieler Zulieferer bedeutet auch für die Fahrzeughersteller eine Gefahr. 2022 erzielten etwas mehr als drei Viertel der Zulieferer in Europa eine Umsatzrendite vor Zinsen und Steuern von weniger als 5%, wie der Branchenverband Clepa festgestellt hat. 2019 waren es 41%. Das zeigt, wie drastisch sich die Lage verschlechtert hat. Noch deutlicher macht dies der Vergleich der Unternehmen, die Verluste erleiden: 2019 waren es 3%, im vergangenen Jahr 20 Prozentpunkte mehr, also fast ein Viertel.

Die Einteilung in Unternehmen mit einer operativen Marge von mehr oder weniger als 5% ist nicht willkürlich gewählt. Denn in der Regel ist das für die Zulieferer die Grenze, um die Kapitalkosten zu verdienen. Dass zuletzt drei Viertel von ihnen darunter lagen, ist ein Warnsignal: Ohne eine ausreichende Profitabilität fehlt das Geld für Investitionen in die Transformation und damit fürs Bestehen im Wettbewerb und im Markt überhaupt: Zwar wird der Verbrennungsmotor nach dem fürs Jahr 2035 angepeilten Aus in der Europäischen Union in anderen Regionen der Welt wohl noch längere Zeit in neue Autos eingebaut werden, doch auch für die alte Technik geht es nicht ohne Innovationen, um sich zu behaupten. Die Zulieferer sind deshalb geradezu zu einer höheren Profitabilität verdammt, um sich für die Zukunft fit zu machen.

Der Verband Clepa interpretiert angekündigte Investitionen in die Batterietechnik als Signal der Wettbewerbsfähigkeit, beobachtet aber auch, dass die Unternehmen manche Ausgaben überdenken. Ihre gesunkene durchschnittliche Profitabilität gepaart mit stark verteuertem Fremdkapital wegen der kräftig gestiegenen Zinsen ist eine unheilvolle Kombination.

Mit dem Druck der mächtigen Autohersteller müssen die Zulieferer schon seit langem klarkommen. Gefordert werden von ihnen Innovationen, kurze Entwicklungszeiten sowie eine zuverlässige Versorgung mit preiswerten und fehlerfreien Komponenten und Systemen und mittlerweile auch Nachhaltigkeit in allen Belangen. Die hohe Inflation mit einem starken Anstieg der Kosten für Energie, Rohstoffe, Material und nach den Tarifabschlüssen auch des Personals lastet auf beiden Seiten. Den Autoherstellern gelang es im vergangenen Jahr relativ locker, höhere Preise von den Käufern zu verlangen: Einer großen Nachfrage stand wegen des Mangels an Bauteilen nur ein limitiertes Angebot gegenüber. Zulieferer mussten und müssen dagegen hart verhandeln, um zumindest einen Teil ihres Kostenanstiegs an ihre Kunden – die Fahrzeugproduzenten – weitergeben zu können.

Und es häufen sich seit einiger Zeit die Anzeichen, dass sich die Situation verschärft, da Konjunkturschwäche und Inflation viele Verbraucher von dem Wunsch abbringen, sich ein neues Auto anzuschaffen, oder ihnen die finanzielle Möglichkeit nehmen. Die Fahrzeugpreise jedenfalls tendieren mittlerweile nach unten. Den Druck auf ihre Margen werden die Autoproduzenten knallhart an ihre Lieferanten weitergeben. Große Anbieter wie Bosch, ZF und Continental können sich gegen solche Klammergriffe besser wehren als kleine mit einem überschaubaren Produktportfolio und der Abhängigkeit von vielleicht zwei oder drei wesentlichen Kunden.

Wie kritisch die Lage mancher Unternehmen ist, verdeutlicht die Tatsache, dass Mercedes-Benz im vergangenen Jahr mit – wie der Konzern betont – einmaligen Zahlungen Lieferanten unter- und gestützt hat. So handelt ein Kunde freilich nicht als Samariter, sondern aus eigenem Interesse und Nutzen. Der Wert einer zuverlässigen Lieferkette ist in den vergangenen zwei Jahren immens gestiegen. Was lange selbstverständlich war, ist brüchig geworden. Die Autohersteller achten deshalb verstärkt auf eine kontinuierliche Versorgung mit Material und Bauteilen. Dazu gehört, die Abhängigkeit von einzelnen Zulieferern zu verringern, indem mehr Quellen bewahrt oder erschlossen werden. Das ist den Fahrzeugproduzenten einiges wert, wie das Beispiel Mercedes-Benz zeigt. Auch für sie bedeutet die Insolvenzgefahr von Zulieferern ein Risiko.

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