Huarong

Bad Bank als böser Bube

Die staatliche chinesische Bad Bank Huarong wird selber zum Problemfall. Peking zögert mit der Entscheidung, Huarong entweder aufzufangen oder die Bondanleger bluten zu lassen.

Bad Bank als böser Bube

Chinas Finanzstabilitätskampagne steht gewissermaßen an einem Scheideweg. Schuld daran hat ausgerechnet ein staatskontrolliertes Finanzinstitut: die Kreditverwertungsgesellschaft China Huarong Asset Management. Der Manager von Problemkrediten ist selber zu einem Problemfall geworden – eine recht bizarre Situation. Huarong ist schließlich das, was man eine Bad Bank nennt. Als Aufkäufer und Verwerter von faulen Krediten chinesischer Geschäftsbanken soll sie diese vor Schieflagen bewahren helfen und eine wichtige Rolle bei der Entschärfung von systemischen Risiken und Verschuldungsgefahren spielen. Huarong aber ist mit riskanten kerngeschäftsfremden Aktivitäten und einem aufsehenerregenden Korruptionsfall selber in eine Schieflage geraten und zu einem Systemrisikofall verkommen, für den es sich lohnen könnte, gleich wieder eine neue Bad Bank aufzuziehen: Willkommen in der wundersamen chinesischen Finanzwelt mit ihren außer Kontrolle geratenen staatskontrollierten Playern.

Wenn der Name Huarong fällt, bricht bei Bondanlegern kalter Angstschweiß aus, und der Name Huarong fällt in diesen Wochen ziemlich häufig. Huarongs dollardenominierte Schuldtitel haben in jüngster Zeit einen Kurseinbruch um 40% erlitten. Das ist ein echter Hingucker für eine Gesellschaft, der die Anleger lange Zeit implizite Staatsgarantie angedacht hatten, die nun aber ins Wanken gerät. Für Pekings Finanzhüter ist das ein Problem: Einerseits nämlich gehört es zum Kern der chinesischen Finanzstabilitätskampagne, die Märkte zu einem adäquateren Risiko-Pricing zu animieren. Sie sollen sich nicht bedingungslos auf eine implizite Staatsdeckung verlassen, sondern im Zweifelsfall selber die Risiken eines Zahlungsausfalls schultern.

Andererseits aber zögert Peking, an Huarong ein Exempel zu statuieren und einen aufsehenerregenden Zahlungsausfall (Default) zuzulassen, der das Vertrauen in den Staat erschüttern und breitere Schockwellen an Chinas Finanzmärkten auslösen könnte. In diesem Jahr allein stehen Tilgungen in Höhe von 6,5 Mrd. Dollar auf heimische und dollardenominierte Bonds an. Noch hat sich Huarong keinen Default geleistet, das aber wohl auch nur, weil andere chinesische Banken auf Staatsgeheiß unterstützend eingegriffen haben und die marode Huarong flüssig halten. Wie marode weiß man nicht, weil die börsennotierte Huarong vor allem durch Intransparenz glänzt. Die Anleger interessieren sich brennend für den Jahresabschluss 2020, aber die Deadline zur Vorlage wurde mehrfach überschritten.

Huarong ist die größte unter den vier staatlichen chinesischen Bad Banks, die Ende der neunziger Jahre aufgezogen worden waren, um das Quartett der größten chinesischen Geschäftsbanken von ihren riesigen Altlasten zu befreien und auf ihre Börsengänge Mitte der 2000er Jahre vorzubereiten. Huarong hatte da­bei die auch heute noch branchenführende Großbank, Industrial and Commercial Bank of China (ICBC), zu entlasten. Nach den Börsengängen von ICBC, China Construction Bank, Bank of China und Agricultural Bank of China wurden die Bad Banks allerdings nicht abgewickelt, sondern für weitere Kreditverwertungszwecke im heimischen Bankensystem eingesetzt. Dabei haben sich die Institute eine eigene Identität als Finanzdienstleister aufgebaut, die über das Geschäft mit Aufkauf und Abwicklung von notleidenden Kreditportefeuilles weit hinausgeht. Dazu gehörten Assetmanagement-Dienste, Private-Equity-Geschäft, Leasing und nicht zuletzt die Refinanzierung von chinesischen Schattenbanken. Huarong ist dabei mit spekulativen Offshore-Bondgeschäften und der Finanzierung von hoch verschuldeten Bauträgern einen besonders heißen Reifen gefahren.

Huarongs eigentliches Kerngeschäft, die Verwertung von Problemkrediten, wirft wie auch bei den anderen drei Bad Banks durchaus stabile Gewinne ab. Die Frage ist nur, ob das ausreicht, die Abschreibungslasten auf die anderen aufgehäuften notleidenden Aktiva auszugleichen. Solange Huarong ihre Zahlen nicht zeigt, tappt man im Dunkeln. Die Intransparenz ist beklagenswert, hat aber irgendwie auch Methode. Es sieht ganz danach aus, dass Chinas Finanzregulatoren Huarong als Versuchskaninchen verwenden, um Anlegerreaktionen in Sachen Default von staatskontrollierten Bond­emittenten zu testen. Erst wenn man sich darüber ein klareres Bild gemacht hat, wird Peking entscheiden, ob man mit einem Huarong-Default eine neue Ära im chinesischen Anleihemarkt einläutet oder lieber am traditionellen Gemauschel mit verdeckten Stützungsaktionen festhält.