Bärendienst aus Berlin
Bärendienst aus Berlin
Verbrennerverbot
Bärendienst
aus Berlin
Von Carsten Steevens
Die Bundesregierung will sich im Sinne der kriselnden deutschen Automobilindustrie für eine Lockerung des Verbrennerverbots in der Europäischen Union von 2035 an einsetzen. Für die mächtige Lobby der Branche, die gerade dabei ist, den Abbau zehntausender Arbeitsplätze umzusetzen, ist das vor den im Dezember erwarteten neuen Vorschlägen der Europäischen Kommission zur CO₂-Flottenregulierung für Fahrzeuge in der EU ein wichtiger Erfolg. Die Ministerpräsidenten der Autoländer sprechen von einem Tag der industriepolitischen Verantwortung und des Realitätssinns für Arbeitsplätze und den Standort. Auch die IG Metall, die hofft, dass Druck aus dem Kessel für Autohersteller und Zulieferer entweicht, begrüßt die Verständigung der Koalition in Berlin.
Die bisherige Nachfrage nach E-Autos verfehlt politische Ziele wie Erwartungen der Hersteller. Rahmenbedingungen wie eine lückenhafte Ladeinfrastruktur in Europa blockieren den Durchbruch der Elektromobilität. Die Bundesregierung will der Branche, die sich in den vergangenen Jahren mit Annahmen zum Technologiewandel massiv verkalkuliert hat und die nach Ergebniseinbrüchen mehr und mehr um Mittel für ihre Zukunftsinvestitionen ringen muss, nun mehr Zeit verschaffen. Denn der Verkauf der Verbrenner ist weiter eine tragende Säule, um die Umsetzung der Elektrostrategie zu finanzieren.
Die Koalition verunsichert
Zwar bekennen sich Politik und Autoindustrie zur Elektromobilität. Das soll auch durch Beschlüsse der Regierung zu neuen, sozial gestaffelten E-Auto-Prämien zum Ausdruck kommen. Klimapolitisch soll die Anrechenbarkeit von grünem Stahl auf die Flottenbilanz einzahlen. Doch das Signal der Koalition, auch nach 2035 noch neue Fahrzeuge mit Verbrennerantrieb kaufen zu dürfen, schafft Verunsicherung. Es sinken Anreize, auf E-Mobilität umzusteigen. Für die Hersteller weicht vorläufig etwas Druck, den notwendigen Wandel voranzutreiben. Herausforderer aus Ländern wie China werden aber gewiss nicht auf die Genesung deutscher Hersteller und Zulieferer warten. Die Hilfsaktion aus Berlin könnte sich noch als Bärendienst erweisen.
