LeitartikelEuroland

Bankbilanzierung aus einem Guss

Auch wenn das zurückliegende Jahr schwierig war: Bankbilanzen werden künftig nicht mehr aus dem Rückspiegel erstellt und das ist zu begrüßen.

Bankbilanzierung aus einem Guss

Euroland

Bankbilanzierung aus einem Guss

Einheitliche Regeln für Pauschalwertberichtigungen kämen der Finanzstabilität zugute.

Von Anna Sleegers

Das Bankenbeben in den USA hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, bei der Regulierung von Banken nicht mit zweierlei Maß zu messen. Die unselige Entscheidung der früheren US-Regierung, Banken mit einer Bilanzsumme von weniger als 250 Mrd. Dollar von den regulatorischen Liquiditätsvorgaben auszunehmen, führte nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) zu einem Dominoeffekt, der an die Zeiten der Krise von 2008 erinnerte.

Der Grund hierfür war – wie bei jedem Bank Run – ein Vertrauensverlust. Obwohl das Geschäftsmodell der SVB speziell war und es gute Gründe für Zweifel an der Qualität des Risikomanagements gab, führte ihr Zusammenbruch dazu, dass der Markt auch die Stabilität anderer Institute vergleichbarer Größe in Zweifel zog. Das funktioniert typischerweise nach demselben, sich selbst verstärkenden Schema: Nervöse Investoren ziehen ihre Mittel ab, diese Abflüsse werden von der übrigen Herde als Indiz gewertet, dass irgendwas im Argen liegt, was wiederum zum Anlass genommen wird, sein Geld lieber in Sicherheit zu bringen. Aufhalten kann diese Dynamik am Ende nur noch der Staat.

Umso erfreulicher ist es, dass der hiesige Bankensektor in der Krise glimpflich davonkam. Sieht man vom temporären Hochschnellen der Risikoaufschläge bei den Kreditausfallversicherungen (CDS) und den Aktienkurseinbrüchen bei Deutscher Bank und Commerzbank ab, kam es zu keiner nennenswerten Ansteckung im hiesigen Bankensektor. Und das, obwohl es mit dem Zusammenbruch der Credit Suisse einen weiteren Infektionsherd direkt vor unserer Haustür gab.

Schutz gewährten den deutschen Instituten die strengen internationalen Liquiditäts- und Eigenkapitalvorgaben – und vor allem das Vertrauen, dass die strengen Regeln von Finnland bis Portugal gleichermaßen gelten und die nationalen Aufsichtsbehörden kontrollieren, dass diese auch eingehalten werden. Anders als in den USA hatten die Einlagekunden daher wenig Anlass zu befürchten, dass ihr Institut plötzlich auf dem Trocknen sitzt.

Mit Blick auf die Rechnungslegung der Banken können die Marktteilnehmer leider nicht auf das viel beschworene „ Level Playing Field“ vertrauen. Jenseits der von großen und zumeist börsennotierten Finanzkonzernen angewandten International Financial Reporting Standards (IFRS) laufen die Regeln sogar zunehmend auseinander.

Erstmals mussten die Institute, die nach Handelsgesetzbuch bilanzieren, für 2022 die Pauschalwertberichtigungen nach neuen Regeln bilden. Diese Wertberichtigungen hatten in der Berichtssaison einen dramatischen Effekt, auch wenn er in den meisten Fällen vorübergehender Natur sein dürfte.

Im Gegensatz zu den anderen europäischen Instituten mussten die hiesigen Sparkassen und Banken sich bei der für die Pauschalwertberichtigung maßgeblichen Einschätzung ihrer Kreditrisiken nicht auf die Vergangenheit beziehen, sondern auf ihre Erwartungen für die Zukunft. Und das ausgerechnet in einem Jahr, in dem die Energiekrise die Geschäftsmodelle vieler Industrien in gleichem Maße auf die Probe stellte, wie der plötzlich einsetzende, historische Leitzinsanstieg das Bankgeschäft forderte.

Die Folge war ein buchhalterisches Blutbad in den Bankbilanzen, das sich insbesondere bei den Sparkassen und Volksbanken bemerkbar machte, die keinen zusätzlichen IFRS-Abschluss erstellen, der in der Öffentlichkeit in der Regel mehr Beachtung findet als der gläubigerschutzorientierte HGB-Abschluss. Vieles deutet darauf hin, dass die hohen Wertberichtigungen tatsächlich vorübergehender Natur sein werden, weil die Anleihen bis zur Endfälligkeit gehalten werden können.

Das zurückliegende Jahr mag aus Sicht der Branche denkbar ungünstig für die erstmalige Anwendung der neuen Methodik gewesen sein. Dennoch ist zu begrüßen, dass die Bankbilanzen künftig nicht mehr aus dem Rückspiegel erstellt werden. Noch besser für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets wäre es, wenn die Regeln flächendeckend zum Einsatz kämen.

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