Banken sind mehr als ein Investmentcase
Banken sind mehr als ein Investmentcase
Regulierung
Banken sind mehr als ein Investmentcase
Die USA stellen das mühsam festgezurrte Baseler Rahmenwerk zur Disposition. Zum Glück scheinen sich die europäischen Regulierer davon bislang nicht kirre machen zu lassen.
Von Anna Sleegers
Betrachtet man die Summen, die der Deregulierungskurs der US-Regierung in den kommenden Jahren freisetzen wird, kann einem Angst und Bange werden um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Banken. Wie die Analysten von Alvarez & Marsal ausgerechnet haben, werden allein die bereits beschlossenen Erleichterungen für die US-Banken in den kommenden Jahren 2,6 Bill. Dollar freisetzen, die gemäß des in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten international ausgehandelten Baseler Rahmenwerks eigentlich als Kapitalpolster hätten dienen sollen, um das globale Finanzsystem vor einer neuen Krise zu schützen.
Steigende Refinanzierungskosten drohen
Dem stehen rund 200 Mrd. Euro gegenüber, die zu schultern wären, wenn es dabei bleibt, dass die von der Europäischen Zentralbank (EZB) beaufsichtigten Institute die Baseler Vorgaben vollständig umsetzen müssen. Wie sollen die hiesigen Banken da mithalten? Schon heute die Kluft zwischen ihnen und ihren US-Wettbewerbern riesig. Und zwar in jeder Dimension, wie etwa der Vergleich des 18 Mrd. Dollar schweren IT-Budget von J.P. Morgan mit der auch nach monatelangem Höhenflug nicht einmal doppelt so großen Börsenbewertung der Commerzbank veranschaulicht. Setzt sich die einseitige Entlastung der US-Banken von regulatorischen Bürden in dieser Form fort, werden die europäischen Institute in Sachen Profitabilität so weit zurückfallen, dass ihnen die Investoren von der Stange gehen werden. Steigende Refinanzierungskosten sind jedoch das letzte, was sie in diesem Umfeld gebrauchen können.
Wettbewerbsfähigkeit des Sektors treibt EU-Kommission um
So gesehen wären die europäischen Regulatoren gut beraten, das aus Sicht der Banken ohnehin unselige Kapitel 4 des Baseler Abkommens gleichfalls zerknüllt in den Papierkorb zu werfen wie die Amerikaner –oder es zumindest den Briten gleichzutun, die es auf auf die feine englische Art in die unterste Schublade geschoben haben. Und tatsächlich hat sich die EU-Kommission in ihrem kürzlich veröffentlichten Arbeitsprogramm vorgenommen, die Wettbewerbsfähigkeit des Bankensektors umfassend zu analysieren. Den entsprechenden Bericht will sie 2026 veröffentlichen, wahrscheinlich aber erst, nachdem die USA ihren Vorschlag für eine Neufassung von Basel III vorgelegt haben. Angesichts der darin zu erwartenden Erleichterungen für die global ohnehin bereits dominierenden großen US-Banken wäre es eine Überraschung, wenn die EU-Kommission weiterhin auf eine vollumfassende Umsetzung der ursprünglichen Vorschläge pochen würde. Schließlich weht seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump auch in den Aufsichtsbehörden ein anderer Wind. Es steht zu befürchten, dass die Reformvorschläge für das Baseler Abkommen auf ein industriepolitisches Manifest hinauslaufen.
US-Aufsicht betreibt Industriepolitik
Denn wie kolportiert wird, beinhalten die Pläne Erleichterungen beim sogenannten GSIB-Zuschlag, also den zusätzlichen Kapitalpuffern für die global systemrelevanten Institute, von denen die meisten in den USA sitzen. Angestrebt wird außerdem eine Neukalibrierung des Aufsichtsratings. Dabei handelt es sich um das US-Pendant zu dem im Überprüfungs- und Bewertungsprozess festgelegten SREP-Scores, auf deren Basis die individuellen Kapitalanforderungen für Großbanken festgelegt werden. Zusammengenommen mit den Plänen für die Erleichterungen bei den Stresstests und der im Raum stehenden Modifikation der Supplementary Leverage Ratio steht eine gewaltige Kapitalentlastung zu erwarten, die vor allem den US-Banken zugute kommen würde.
Das dicke Ende kommt erst noch
Für die Entscheidung, bereits in diesem Jahr durch die Kapitalverordnung CRR III mit der vollständigen Umsetzung von Basel III zu beginnen, ist die EU-Kommission nicht nur von libertären Geistern scharf kritisiert worden. Bislang konnten die Banken das zwar gut verdauen. Doch der gefürchtete Outputfloor, der den Einsatz interner Modelle für die Berechnung der Risikoaktiva begrenzt, wird bis 2032 schrittweise eingeführt. Das dicke Ende kommt also erst noch. Hier noch einmal nachzubessern und den europäischen Banken mehr Luft zu lassen, wäre angesichts der internationalen Umstände gewiss kein Sündenfall.
Eigenkapital macht Banken resilient
Um an den Grundpfeilern der regelbasierten Kapitalvorgaben für die Banken zu rütteln, besteht jedoch kein Anlass. Denn Banken sind mehr als ein Investmentcase für Aktienanleger. Eine gute Kapitalausstattung macht Banken widerstandsfähig gegen externe Schocks. Falls der Beweis dafür notwendig gewesen ist, wurde er spätestens während des US-Bankenbebens im Frühjahr 2023 erbracht. Trotz der Pleitewelle der dortigen Regionalbanken und dem Zusammenbruch von Credit Suisse vor der eigenen Tür, erwies sich die hiesige Branche als erstaunlich resilient. Angesichts der Risiken, die mit der aktuellen US-Deregulierungswelle einhergehen, tun die europäischen Regulierer gut daran, sich nicht aus Angst vor dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit kirre machen zu lassen.

