Bei der Bahn hilft nur noch Schweizer Präzision
Da hilft nur noch Schweizer Präzision
Von Sebastian Schmid
Deutsche Bahn
Die Trennung von Konzernchef Richard Lutz verläuft so, wie es viele Bahnkunden von dem Staatsunternehmen kennen: planlos und mit miesem Timing. Wer von Hamburg nach Berlin pendelt, weiß, wovon ich spreche. Bis Ende April 2026 ist die Strecke für eine Generalsanierung gesperrt worden. Das passt zur Bilanz des Bahnchefs, die gepflastert ist mit Zugausfällen. Und selbst wenn gefahren wird, ist mittlerweile kaum mehr als jeder zweite Fernzug „on time". Vincent Ducrot, Chef der Schweizer Bundesbahnen (SBB), hat im Interview mit dem „Tagesspiegel“ bereits vor einem Jahr Mitleid mit den deutschen Kunden zum Ausdruck gebracht. DB-Züge in die Schweiz werden oft in Basel gestoppt, damit das Chaos in Deutschland nicht die Schweizer Präzisionsbahn aus dem Takt wirft.
International berüchtigt
Die katastrophalen Zustände im öffentlichen Fernverkehr sind längst international berüchtigt. „In Germany, a tournament runs smoothly, but the trains do not“, titelte die „New York Times“ während der Fußball-Europameisterschaft 2024. Ein Land, das Aufbruchstimmung braucht und Investoren anziehen will, kann sich die Bürde einer solchen Bahn schlicht nicht leisten. Hier geht es mittlerweile um mehr als nur darum, Menschen pünktlich von A nach B zu befördern.
Nur Sanierung und Leuchtturm im Blick
Die Gefahr ist indes, dass sich die Probleme noch verschlimmern. Denn das Unternehmen, das heute schon unter Fachkräftemangel leidet, müsste für einen reibungslosen Betrieb dringend in die Digitalisierung von Stellwerken, Bahnübergängen etc. investieren. Wenn von neuen Milliarden für die Bahninfrastruktur die Rede ist, geht es aber meist nur um Sanierung und Instandhaltung ... oder um fragwürdige Leuchtturm-Projekte wie „Stuttgart 21“, die enorme Ressourcen fressen, auf das Gesamterlebnis aber selbst bei Gelingen kaum einen Einfluss haben werden. Woran es fehlt, ist eine Strategie, die den Kunden in den Vordergrund stellt.
Kunde als Karte im Schwarze-Peter-Spiel
Sowohl in der Konzernführung als auch den streitfreudigen Bahngewerkschaften dient das schlechte Kundenerlebnis indes allenfalls als Trumpfkarte im Schwarze-Peter-Spiel. Zeit, den Teufelskreis zu durchbrechen. Verkehrsminister Patrick Schnieder will am 22. September seine „Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene“ vorstellen. Wenn er es ernst meint, kann er vielleicht den Schweizer Bahnchef abwerben. Mitleid mit den deutschen Kunden hat der immerhin. Und wie es ist, eine funktionierende Bahn zu leiten, weiß er auch.