LeitartikelBritische Energiewende

Strahlende Zukunft

Die grüne industrielle Revolution fällt aus. Labour setzt lieber auf Atomkraft und verabschiedet sich von liebgewonnenen Vorstellungen.

Strahlende Zukunft

Britische Energiewende

Strahlende Zukunft

Von Andreas Hippin

Die grüne industrielle Revolution fällt aus. Labour setzt lieber auf Atomkraft.

So langsam wird klar, wie die grüne industrielle Revolution aussieht, die der britische Energieminister Ed Miliband ausgerufen hat. Die Energierechnungen der privaten Haushalte sinken nicht wie versprochen. Spannungen im Nahen Osten und höhere CO2-Preise dürften vielmehr dafür sorgen, dass sie weiter steigen. Von den Jobs, die in den vom wirtschaftlichen Abstieg geprägten Industrieregionen des Landes entstehen sollten, ist nicht viel zu sehen. Der Gewerkschaft Unite zufolge stammen nur 8% der Turbinen und des Equipments von Windkraftwerken aus heimischer Produktion.

Für die Wirtschaft ist die Lage so schwierig, dass sich Premierminister Keir Starmer genötigt fühlte, bei Net Zero die Notbremse zu ziehen: Tausende britische Unternehmen aus energieintensiven Branchen werden ab 2027 von den „grünen“ Abgaben befreit, die eigentlich dafür sorgen sollten, dass sie ihre Produktionsprozesse in Richtung Klimaneutralität weiterentwickeln. Ihre Stromrechnungen sinken dadurch um bis zu ein Viertel.

Industriestrom wird billiger

Das sorgt dafür, dass sich ihre Energiekosten wieder denen der europäischen Konkurrenz annähern. Rolls-Royce feierte das als großen und dringend nötigen Schritt nach vorn. Glashütten, Stahlproduzenten und Chemiekonzerne erhalten zudem einen noch deutlicheren Nachlass auf die Netzentgelte als ohnehin schon.

Finanziert werden soll das durch höhere CO2-Preise und Veränderungen bei den Differenzkontrakten, mit denen Wind- und Solarkraftwerksbetreiber subventioniert werden. Die Verbraucher müssen angeblich nicht dafür aufkommen. Sie werden aber nicht entlastet. Im Schnitt haben die grünen Abgaben ihre jährlichen Rechnungen um rund 200 Pfund erhöht.

Renaissance der Atomkraft

Auch die Kosten der Renaissance der Atomkraft, mit der man hofft, Blackouts zu vermeiden, dürften am Ende auf die Verbraucher umgelegt werden. In Großbritannien wurde stark auf stark volatile Energiequellen gesetzt, deren Erzeugung nicht kontinuierlich ist, sondern schwankt. Im vergangenen Jahr wurde das letzte Kohlekraftwerk stillgelegt. Ältere Kernkraftwerke wurden nach und nach außer Dienst gestellt.

Zwei neue Reaktoren in Suffolk sollen nun sechs Millionen Haushalte mit Strom versorgen, auch wenn die Sonne nicht scheint und kein Wind geht. Die Regierung steckt 14,2 Mrd. Pfund in das Projekt Sizewell C. Die Meiler sollen die Grundlast sichern, den kontinuierlichen Strombedarf also, der im Netz zu jeder Zeit gedeckt sein muss. Miliband dürfte das Vorhaben reichlich Kritik aus den eigenen Reihen bescheren. Denn vielen Klimaaktivisten geht es nicht darum, das derzeitige Wohlstandsniveau zu halten. Sie folgen einer Degrowth-Agenda.

Krieg in Nahost treibt Gaspreis hoch

Die Weigerung der derzeitigen Regierung, die Erkundung neuer Gasvorhaben in der Nordsee zu genehmigen, dürfte das Net-Zero-Wolkenkuckucksheim vollends zum Einsturz bringen. Denn Spannungen in Nahost wirken sich nicht nur auf den Ölpreis aus, sondern auch auf den Gaspreis. Ein sich bedroht fühlender Iran könnte dafür sorgen, dass Flüssiggaslieferungen aus Katar, von denen man sich ohne Not abhängig gemacht hat, ausbleiben.

Carneys Rolle rückwärts

Man darf gespannt sein, wie lange es dauert, bis sich Miliband nicht mehr um sein Geschwätz von gestern schert und der heimischen Öl- und Gasbranche grünes Licht gibt. Mark Carney hat es vorgemacht: Der ehemalige Gouverneur der Bank of England, der einst als UN-Klimabotschafter um die Welt jettete, schaffte unmittelbar nach seiner Wahl zum kanadischen Premierminister die von seinem Vorgänger Justin Trudeau eingeführte CO2-Steuer wieder ab. Er machte ein ehemaliges Boardmitglied einer auf Ölsandförderung spezialisierten Firma zum Energieminister. Und er will Kanada zur Energiesupermacht machen – sowohl bei sauberen als auch bei konventionellen Energieformen. Erzwingt die Lage eine derartige Kehrtwende auch von Starmer, Miliband & Co, dann kann sich auch Großbritannien auf eine strahlende Zukunft einstellen.

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