Notiert in BrüsselBürokratieabbau

Brüsseler Korso der Omnibusse

Die EU setzt zunehmend auf Omnibus-Gesetze zur Bürokratievereinfachung, doch Vertrauen und Übersicht schwinden bei Unternehmen und Bürgern.

Brüsseler Korso der Omnibusse

Notiert in Brüssel

Korso der Omnibusse

Von Detlef Fechtner

Am Anfang war es ein Hoffnungswert und auch ein Hoffnungswort. Dann wurde es zum Kampfbegriff. Und mittlerweile ist die Bezeichnung dabei, zu einer Phrase in Sonntagsreden entwertet zu werden, die viel Hohn und Spott auf sich zieht.

Die Rede ist vom „Omnibus", oder besser gesagt: von den „Omnibussen“, denn in Brüssel ist derzeit ein ganzes Korso davon unterwegs. Als Omnibus bezeichnen Juristen Gesetzgebungsverfahren, bei denen mehrere Vorgänge zu einem Vorgang zusammengefasst werden, so dass durchaus unterschiedliche Änderungen europäischer Vorgaben in einem Gesetzesentwurf vereint und zur Abstimmung gebracht werden. Die EU-Kommission setzt dieses Instrument seit dem Frühjahr gezielt ein, um EU-Gesetzgebung zu vereinfachen und den damit verbundenen Verwaltungs-, Melde- und Berichtsaufwand zu verringern – beispielweise kleine Unternehmen komplett von Reportingpflichten zu entbinden.

Berühmt und berüchtigt

Berühmt-berüchtigt ist der Nachhaltigkeits-Omnibus, der die nicht-finanzielle Berichterstattung und das Lieferkettengesetz für Unternehmen einfacher handhabbar machen soll. Er ist aber nur noch einer von mehreren Vorstößen. Denn längst sind im Europaviertel auch die Omnibusse 2, 3, 4, 5 und 6 unterwegs. Zur Erleichterung der Programmvorgaben für EU-Investitionsprogramme. Für eine neue Kategorie von Small Mid Caps, die von vielen gesetzlichen Anforderungen ausgenommen werden sollen. Zur Simplifizierung der Anträge von Bauernhöfen, die sich um EU-Hilfen bewerben oder um die Anerkennung als Bio-Landbau. Zur Digitalisierung von Formularen, zur Formatierung und Etikettierung von Chemikalien, und so weiter und so fort. Für den Herbst sind darüber hinaus noch eine ganze Menge weiterer Pakete angekündigt.

Das Publikum ist enttäuscht

Ärgerlich für die EU-Gesetzgeber ist nur, dass beim Publikum – also Unternehmen, Banken und anderen Betroffenen – der Glaube daran geschwunden ist, dass die in Aussicht gestellten Erleichterungen tatsächlich das Leben vereinfachen werden – obwohl sie viel radikaler sind als alles, was beispielsweise vor wenigen Jahren die Enquetekommission zum Bürokratieabbau unter Edmund Stoiber vorgeschlagen hat. Dass das Vertrauen verloren gegangen ist, das liegt einerseits daran, dass so viel vorgeschlagen wurde, dass die meisten ohnehin den Überblick verloren haben. Und das liegt andererseits an der Langsamkeit des politischen Betriebs, denn natürlich braucht es Monate zur Verabschiedung, weitere Monate zur Umsetzung und wahrscheinlich Jahre zur spürbaren Auswirkung.

Ein Tipp unter Freunden an die EU-Kommission, das EU-Parlament und den Ministerrat: Vermeiden Sie, wenn sie einen neuen Vorstoß zum Abbau bürokratischer Lasten planen, den Begriff „Omnibus“. Er ist auf der Pressetribüne längst zum festen Bestandteil der „Bullshit Bingo“-Spielkarten geworden – gleich neben „Win-win-Situation“, „better regulation“ und „Das ist ein guter Tag für Europa“.