Bundesbedienstete in Hungersnot
Bundesbedienstete in Hungersnot
Notiert in Washington
Bundesbedienstete in Hungersnot
Von Peter De Thier
Ohne die Verabschiedung eines Übergangshaushalts wird der Shutdown in Washington in einer Woche der längste in der Geschichte sein. Und für das Tauziehen zwischen Demokraten und Republikanern ist kein Ende in Sicht. Unterdessen treiben die brachliegenden Regierungsgeschäfte skurrile Blüten. Am vergangenen Freitag erhielten nämlich Hunderttausende von Bundesbediensteten Lohnabrechnungen mit dem Vermerk „Nettovergütung: 0,00 Dollar“.
Das wiederum schürt bei den Beamten völlig nachvollziehbare Ressentiments. Jene Parlamentarier, die außerstande sind, sich auf ein Budget zu verständigen, beziehen nämlich weiter ihre sechsstelligen Gehälter. Die Bezüge reichen von 174.000 bis 223.500 Dollar im Jahr. Das Geld fließt munter weiter, obwohl die Mitglieder des Repräsentantenhauses nicht einmal in Washington sind. Der „Speaker of the House“ Mike Johnson hat seine 434 Kollegen nämlich nach Hause geschickt. Die offizielle Begründung: In ihren jeweiligen Bezirken könnten sich die Volksvertreter mit Wählern treffen. Insbesondere könnten sie Bundesbeamten, die in allen 50 US-Staaten verteilt sind, helfen, die Krise zu überstehen.
Menschenschlangen bei Lebensmittelbanken
Johnsons „Strategie“ entlockt den betroffenen Staatsdienern aber nichts anderes als messerscharfe Kritik und zynische Kommentare. „Das gute Zureden nützt gar nichts“, sagt David H. aus Virginia, ein beurlaubter Mitarbeiter des Innenministeriums. „Denn Geld geben uns diese inkompetenten Politiker keines, sie wollen nur für den nächsten Wahlkampf das Gesicht wahren“. Und ohne die Gehälter, die alle zwei Wochen ausgezahlt werden, nagen nun viele Beamte am Hungertuch, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Sie stehen bei Tafeln, die in den USA „Lebensmittelbanken“ heißen, stundenlang Schlange, um an ein paar Konserven zu kommen. Davids Rat an Kollegen: „Schenkt auf keinen Fall den Abgeordneten, die Schuld an dem Shutdown sind, eure Stimme.“
Ein 29-jähriger Mitarbeiter der Transportation Security Administration (TSA) in Washington bedient sich zum ersten Mal der Dienste einer „food bank“. Der Sicherheitsbeamte am Washingtoner Dulles Flughafen will nicht namentlich zitiert werden. Er räumt ein, „dass es demütigend ist, wenn meine Nachbarn sehen, dass ich für ein gratis Mittagessen praktisch betteln muss“. Er habe aber keine Wahl und wolle nicht dem Beispiel vieler Kollegen folgen: Sie nehmen teure Kredite auf. Oder sie zapfen ihre Aktienfonds und Altersversorgungskonten an, oft mit erheblichen steuerlichen Nachteilen.
Trump droht mit Kürzungen
Dabei trifft die Hungersnot keineswegs nur Beamte. Am 1. November enden staatliche Mittel für das sogenannte Supplemental Nutrition Assistance Program (SNAP). Dies bedeutet, dass 42 Millionen ärmere US-Bürger, die auf Lebensmittelmarken angewiesen sind, leer ausgehen werden. Das Landwirtschaftsministerium hat erklärt, dass es keine Gelder entsprechend umwidmen wird.
Von der Idee, den 5 Mrd. Dollar schweren „contingency fund“ anzuzapfen, der für Notfälle vorgesehen ist, will US-Präsident Donald Trump nichts wissen. Er droht sogar, nachzulegen und will demnächst weitere Sozialprogramme ersatzlos streichen.
