Unicredit düpiert Berlin
COMMERZBANK
Berlin muss
umdenken
Von Björn Godenrath
Die Unicredit schafft Fakten, Berlin schickt Protestnoten. Eine Übernahme lässt sich so nicht verhindern.
Der Übernahmekampf um die Commerzbank ist mit Aufstockung der Unicredit auf 26% in seine Endphase eingebogen. Mit Zugriff auf weitere 3% sowie dem Effekt aus Aktienrückkäufen stehen die Italiener unmittelbar an der Schwelle von 30%, deren Erreichen ein Pflichtangebot auslöst. Und sobald dieses vorliegt, werden die freien Aktionäre ihre Anteile andienen, hatten sie den Commerzbank-Kurs doch in Erwartung einer Offerte nach oben getrieben.
Position der Sperrminorität verändert die Sachlage
Die Commerzbank hat nun einen Aktionär mit Sperrminorität. Allein das verändert die Sachlage so grundsätzlich, dass man konstatieren muss: Die Commerzbank hat ihre Eigenständigkeit schon zum großen Teil verloren. Wenn sich die Bundesregierung und das Commerzbank-Management das eingestehen würden, sollte das Folgen haben für das weitere Vorgehen.
Der ordnungspolitische Rahmen erlaubt Berlin keine wirksame Intervention mehr
Denn die Zeit für Fundamentalopposition ist vorbei. Orcel hat aktienrechtlich Fakten geschaffen, auch kartellrechtlich und bankenaufsichtlich werden ihm keine Steine in den Weg gelegt. Ganz im Gegenteil: Die EU-Kommission hat bereits einen ordnungspolitischen Rahmen gezogen, indem sie der italienischen Regierung für ihre Einmischung in die dortige Bankenkonsolidierung eine Gelbe Karte gezeigt hat.
Wie die Axt im Walde
Auch wenn Orcel sich mit dem Non-Disclosure seiner Derivate-Positionen, gefolgt von schneller Anteilsaufstockung, wie die Axt im Walde verhalten hat, muss Berlin einen Kurswechsel einleiten. Die Bundesregierung sollte nun dazu übergehen, konstruktive Gespräche mit Unicredit aufzunehmen. Weiter stur auf Ablehnung zu beharren und einen „Boardroom War“ im Aufsichtsrat zu provozieren, ist keine Alternative. Denn dann droht eine Blockade der Commerzbank, was nur Verlierer produzieren würde.
Kann Orcel das Frankfurter Umfeld besänftigen?
Vielmehr gilt es nun, etwas für den Finanzplatz rauszuholen – wobei es neben den Stakeholdern in Hessen durch die HVB auch noch welche in Bayern gibt. Und da aktuell um Zustimmung im Commerzbank-Umfeld gerungen wird, dürfte Frankfurt gute Chancen auf den Zuschlag als Deutschland-Zentrale haben. Das wäre das Trostpflaster dafür, dass Entscheidungsgewalt und Dividende nach Mailand fließen.
Gelegenheit verpasst
Das mag bitter klingen, aber so wird es kommen. Dabei gab es ein Zeitfenster, das Berlin hätte nutzen können, um Orcel abzuschrecken. Direkt mit Offenbarung der Derivate-Position hätte man über die KfW auf eine Sperrminorität aufstocken können. So aber blieb es bei Protestnoten. Und die sind ein Muster ohne Wert.