Canary Wharf: Totgesagte leben länger
Canary Wharf: Totgesagte leben länger
Notiert in London
Totgesagte leben länger
von Andreas Hippin
Vor gar nicht allzu langer Zeit wurden allerorten Abgesänge auf Canary Wharf angestimmt. Das Finanzviertel im Londoner Osten galt während der Pandemie als dem Untergang geweiht. Dass Banker einmal statt „remote“ vom nächstgelegenen Strand wieder vom Schreibtisch in der Zentrale arbeiten könnten, war undenkbar.
Mittlerweile haben die Institute ihr Personal in die Büros zurückgerufen. Die Zeiten, in denen es ausreichte, nur drei Tage die Woche Präsenz zu zeigen, neigen sich vielerorts ebenfalls dem Ende zu. Statt Rückzug steht Expansion auf dem Programm. Das sorgt im Baugewerbe und bei Immobilienmaklern für weihnachtliche Stimmung.
Neue Nachfrage
Visa Europe kündigte an, in Canary Wharf ihre neue Zentrale anzusiedeln. Im Sommer 2028 erfolgt der Umzug aus dem Stadtteil Paddington in den Büroturm One Canada Square, der einst Bear Stearns beherbergte. Der dritthöchste Wolkenkratzer in Großbritannien setzt sich durch sein Pyramidendach von den anderen ab.
J.P. Morgan wird ihre neue Europazentrale, die bis zu 12.000 Mitarbeitern Platz bieten soll, in Canary Wharf bauen. Bislang ist sie in 25 Bank Street angesiedelt. In sechs Jahren soll das von Foster & Partners gestaltete Gebäude bezugsfertig sein. Es wird das mit Abstand größte Bürogebäude der britischen Metropole sein. Für CEO Jamie Dimon repräsentiert es das „dauerhafte Commitment" der Bank an die Stadt und an Großbritannien.
Deutsche Bank zieht zu Revolut
Die Deutsche Bank, die bereits ein paar Stockwerke in 10 Upper Bank Street angemietet hat, will sich im YY Building ansiedeln. Derzeit prangt der Schriftzug von Revolut am Gebäude. Die Neobank, deren Bewertung vor kurzem 75 Mrd. Dollar erreichte, hat sich in den oberen Stockwerken eingerichtet.
An Lockdowns und Maskenzwang erinnern in Canary Wharf heute nur noch die Schilder am Eingang des meist gut besuchten unterirdischen Einkaufszentrums, das Bürotürme, Einzelhandel und U-Bahnstationen miteinander verbindet.
Schärfere Sicherheitsmaßnahmen
Die Botschaft ist mittlerweile eine andere: Aus Sicherheitsgründen ist das Tragen von Helmen, Sturmhauben und anderen Mitteln zur Vermummung untersagt. Seitdem im Sommer bei einer Schießerei in einem New Yorker Büroturm ein Blackstone-Manager getötet und mehrere Menschen schwer verletzt wurden, haben vor allem die US-Institute ihre Sicherheitsmaßnahmen nach oben gefahren.
Das tut der guten Stimmung aber keinen Abbruch. Nicht dass HSBC und Clifford Chance die Entscheidung bereuen werden, in die Square Mile überzusiedeln. Denen, die sich nicht verändern wollten, wird es aber auch nicht leid tun.
Im Besitz von Brookfield und Katar
Es war die Regierung von Margaret Thatcher, die einst die London Docklands Development Corporation ins Leben rief, um die brachliegenden Flächen im Londoner Osten einem neuen Zweck zuzuführen. Heute gehört die Canary Wharf Group dem kanadischen Finanzinvestor Brookfield Property Partners und dem Staatsfonds Qatar Investment Authority.
