Notiert inWashington

Einarmige Banditen in Washingtons Vororten

In einigen Washingtoner Vororten tobt ein Streit um den geplanten Bau von Casinos. Politiker wollen damit zusätzliche Steuerquellen erschließen, doch die Bürger der familienorientierten Nachbarschaften leisten Widerstand.

Einarmige Banditen in Washingtons Vororten

Notiert in Washington

Streit um Vorort-Casinos

Von Peter De Thier

In den USA wecken Roulette-Räder, einarmige Banditen und Poker-Chips Assoziationen mit großen Casinos in Las Vegas und Atlantic City. Oder auch mit New Jersey, wo unter anderem der ehemalige Präsident Donald Trump vor langer Zeit Spielstätten betrieb. Nun aber denken selbst die Politiker in Vororten von Metropolen wie der Hauptstadt Washington daran, Casinos zu bauen, um Steuereinnahmen auszugleichen, die im Gefolge der Coronakrise weggebrochen sind. Alles andere als glücklich sind darüber aber die Bürger von Reston oder Tysons Corner in Virginia, wo Kommunalpolitiker nun den Bau von Spielbanken vorantreiben wollen.

Reston, eine beschauliche und moderne Vorstadt von Washington, D.C. mit 63.000 Einwohnern, ist seit zehn Jahren auch unsere Wahlheimat. Geprägt ist das Landschaftsbild von Nachbarschaften mit ihren eigenen Tennisplätzen und Schwimmbädern, von Rad- und Spazierwegen, die die gesamte Stadt verbinden, sowie fünf künstlichen Seen, wo Besucher angeln und Tret- oder Ruderboote mieten können. Auch floriert in der Kleinstadt, die von manchen das "Silicon Valley der Ostküste" genannt wird, die Wirtschaft. So stehen in der Innenstadt zwischen Restaurants, Boutiquen und Appartement-Gebäuden Büros von Tech-Giganten wie Google, Microsoft und VMWare. 

Neue Steuereinnahmen

So vielfältig das Angebot auch ist, war – zumindest bisher – die Idee eines Casinos in dem kinder- und familienfreundlichen Reston nicht denkbar. Daran wollte aber Dave Marsden, ein demokratisches Mitglied des Staatssenats von Virginia, etwas ändern. Marsden hat vergangenes Jahr einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Regierung in dem zuständigen Bezirk Fairfax County ermächtigen würde, eine Spielbank zu bauen. Seine Begründung: Seit der Pandemie hat die zunehmende Bedeutung des Homeoffice nicht nur dem gewerblichen Immobilienmarkt immensen Schaden zugefügt. Auch sind die Finanzen von Fairfax County durch den Verlust an Einnahmen aus Grundsteuern sowie anderen ehemals ergiebigen Quellen in eine Schieflage geraten. 

„Der Spielbetrieb könnte einen bedeutenden Beitrag dazu leisten, um den Haushalt wieder ins Lot zu bringen“, begründet Marsden den Vorstoß. Derselben Auffassung ist ein Sonderausschuss, die Joint Legislative Audit and Review Commission (JLARC). In einer Studie gelangte die JLARC zu dem Schluss, dass in der Region 4.400 neue Jobs entstehen und das Steueraufkommen aus dem Casino-Betrieb allein jährlich bei über 150 Mill. Dollar liegen würde. Werden außerdem die Einnahmen aus dem Hotelbetrieb und gastronomischen Gastgewerbe berücksichtigt, dann würde die Wirtschaftsleistung im Staat Virginia um 700 Mill. Dollar zulegen.

Proteste der Einwohner

Sobald sie von der geplanten Spielbank erfuhren, gingen Restons Bürger aber auf die Barrikaden. „Ein Casino gehört nun wirklich überhaupt nicht hierher, das passt nicht zur Identität unserer Stadt und würde unsere gesamte Nachbarschaft beeinträchtigen“, sagt Lynne Mulston von der Bürgergemeinschaft Restons Citizens Association. Der Rechtsanwalt Chris M., der eine Petition gegen die Spielbank startete, beschwert sich über „den Autoverkehr sowie den Rummel und Lärm, den betrunkene Casino-Besucher verursachen würden“. Kurzum: Der Widerstand in der Bevölkerung war so groß, dass Marsden jetzt einen neuen Entwurf in den Senat eingebracht hat, der offenbar einen anderen Schauplatz für seine Pläne vorsieht. 

Wie aus der Beschreibung in der Gesetzesvorlage hervorgeht, kann es sich nur um das 12 Kilometer weiter östlich gelegene Tysons Corner handeln, ursprünglich eine weitläufige Shopping-Mall, die sich aber zu einem der wohlhabendsten Wohn- und Einkaufszentren der USA entwickelt hat. Wie Chris M. feststellt, lautet der Tysons-Corner-Slogan „America's Next Great City“. Süffisant weist der Anwalt darauf hin, dass, „wenn die Menschen in Tysons Corner so viel von sich halten, dann denke ich, dass Casinos dort ohnehin eher zu Hause sein würden als bei uns“.    

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