Im Blickfeld Humanoide Roboter

Chinas humanoide Roboter begeben sich auf Jobsuche

Roboter in Menschenform für Industrie und Hausgebrauch machen rasche Fortschritte. Stark geförderte chinesische Firmen trumpfen im Entwicklungsrennen mit USA auf. Ihre Modelle begeistern mit Einzelfähigkeiten. Zum kommerziellen Durchbruch mit Allzweckrobotern fehlen aber noch auf Jahre hinaus geeignete KI-Systeme.

Chinas humanoide Roboter begeben sich auf Jobsuche

Chinas humanoide Roboter begeben sich auf Jobsuche

Roboter in Menschenform für Industrie und Hausgebrauch machen rasche Fortschritte. Stark geförderte chinesische Firmen trumpfen im Entwicklungsrennen mit USA auf. Ihre Modelle begeistern mit Einzelfähigkeiten. Zum kommerziellen Durchbruch mit Allzweckrobotern fehlt aber geeignete KI.

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Die Boom-Stimmung ist greifbar. Bei der Entwicklung von dem Menschenbild angeglichenen Servicerobotern marschiert Chinas High-Tech-Industrie mit erstaunlichem Tempo voran. Aus dem Zukunftsthema humanoider Roboter, die breiten Einsatz in der Industriefertigung, als Servicepersonal in Dienstleistungsbereichen und auch als Haushaltshelfer finden, wird schneller Realität als gedacht.

Dutzende von Startups lassen produktionsreife Modelle vom Stapel. Sie warten mit athletischen Fertigkeiten vom Langstreckenlauf über Boxkämpfe bis zum Fußball auf. Sie fungieren als „Grüßonkel“ in Bankfilialen, Shopping Malls und Museen, verdingen sich als blecherne Baristas oder Küchenhelfer, garnieren öffentliche Events mit Showeinlagen und glänzen bereits als fingerfertige Klavierspieler und Massagetherapeuten.

Fördersektor par excellence

Peking klemmt sich mit großzügigen Finanzierungs- und Subventionshilfen hinter die Projekte. Staatsmedien feiern die Szene quasi täglich mit atemlosen Berichten und Bildstrecken zu Robotershows. An der Schnittstelle von Künstlicher Intelligenz (KI), Robotik und Halbleitertechnik sieht man einen besonders förderungswürdigen Sektor. Es geht um gesellschaftliche Modernisierung, Konsumanregung, Arbeitsproduktivität und natürlich technologische Führerschaft im permanenten Ringen mit den USA.

Demografische Zwänge

Sowieso steht ein demografischer Faktor als Elefant im Raum. Die arbeitsfähige Bevölkerung im Reich der Mitte schrumpft unausweichlich. Langfristig gesehen ist Chinas Werkbank auf massiven Robotereinsatz angewiesen, um Arbeitskräftemangel in der Fertigung auszugleichen. In einer Guideline des Industrieministeriums von 2023 heißt es: „Humanoide Roboter sind nach Computern, Smartphones und Elektroautos die nächste bahnbrechende Innovation, die zur umfassenden Transformation der Arbeitswelt und des Lebensstils führen und die globale Industrielandschaft neu prägen wird.“

Tesla mischt mit

In den vergangen Jahren haben sich US-Firmen wie Boston Dynamics und Agile Robotics als treibende Kräfte in der Roboterentwicklung erwiesen. Mittlerweile steht vor allem Tesla im Fokus. Bei schwindenden Perspektiven im E-Auto-Geschäft erzeugt eine Zukunft als Massenproduzent von humanoiden Robotern Wachstumsfantasie, die dem Tesla-Kursverfall an der Börse entgegenwirkt. Das von Amazon unterstützte Startup Figure AI bringt sich ebenfalls stark in Position.

Sichtbarkeit ist Trumpf

Vorteil China gilt seit diesem Jahr auf Ebene der Sichtbarkeit. Während Tesla mit ihrem Optimus genannten Modell in erster Linie ein Entwicklungsversprechen abgibt, zeigen ein Dutzend chinesischer Firmen ihre Modelle in Aktion und sorgen damit für Schlagzeilen. Darunter auch peinliche mit völlig überforderten, stolpernden, stürzenden und durchschmorenden Blecheimern, die für Volksbelustigung sorgen, die aber eben auch Interesse wecken. Es geht nicht um Perfektion, sondern um die Demonstration von Fortschritten mit Überwindung immer neuer Grenzen.

Peking setzt nun alles dran chinesische Firmen in die Pole Position auf globaler Ebene zu manövrieren. Der Durchbruch mit dem chinesischen KI-System Deepseek hat nicht nur gewaltigen Börsenhype, sondern auch massive Investitionsströme losgetreten. Die chinesischen Tech-Riesen vom Schlage Alibaba, Baidu, Bytedance oder Tencent, die hauseigene KI-Systeme und auch Chiptechnologie aufbauen, zeigen großes Interesse, sich mit Funding-Maßnahmen und Beteiligungen eine Schnitte im Robotermarkt zu sichern.

Unitree als Frontrunner

Chinas Vorzeigeunternehmen für menschelnde Serviceroboter ist eindeutig das Startup Unitree Robotics. Mit einer Roboter-Tanzshow auf der politisch streng choreographierten TV-Gala zu Chinas Neujahrsfest ist das Breitenpublikum regelrecht im Sturm erobert worden und der Firmenname in aller Munde. Als Chinas Frontrunner der Entwicklung des künftigen „Fabrikangestellten“ wie auch des massentauglichen Konsumguts für den Hausgebrauch gilt es die Stellung über einen Kapitalmarktauftritt festigen. Ein IPO an der Börse Shanghai soll noch in diesem Jahr über die Bühne gehen.

Bei der jüngsten Finanzierungsrunde im Juni sind Alibaba, Bytedance und Tencent als Geldgeber hinzugetreten. Das lässt Unitree nun eine von 1,3 auf 7 Mrd. Dollar erhöhte Marktbewertung für einen Börsengang anvisieren. Im Abgleich mit Unitrees Gesamtumsatz in Höhe von 1 Mrd. Yuan (120 Mill. Euro), gilt das als anspruchsvoll. Andererseits bewegt sich Figure AI in den USA seit neuestem mit einer impliziten Marktbewertung von 39 Mrd. Dollar in ganz anderen Dimensionen.

ChatGPT-Moment gesucht

Die Frage ist nun, wie sich Chinas Staatskapitalismus, der in Bereichen wie der Elektromobilität zu eindrucksvollen Ergebnissen mit Weltmarktführung führt, im neuen Segment bewährt. Unitree-Chef Wang gibt sich bei allem Hype, den seine sportlichen Showroboter in China auslösen, realistisch in Sachen Entwicklungsgeschwindigkeit und Vermarktungspotenzial. Maschinelle Helfer, die nicht nur repetitive Vorgänge erledigen, sondern Lernfähigkeit für komplexere Allzweckaufgaben aufweisen, stehen noch ganz am Anfang. Die Roboterhardware ist in vielen Belangen bereits fortgeschritten genug. Die große Herausforderung aber liegt in der neuen Generation von Software-Systemen mit sogenannter verkörperter KI. Es braucht einen „ChatGPT-Moment“, also einen spontanen Durchbruch wie bei KI-Sprachmodellen, meint Wang. Der könne noch einige Jahre auf sich warten lassen.

Billigware im Anmarsch

Bis dahin gilt es Unternehmensklientel und Verbraucher mit immer kostengünstigeren Modellen für limitierte Aufgaben näher an das Thema heranzuführen. Dies führt zu einem intensiven Preiswettbewerb unter Chinas Herstellern. Unitree neuestes Modell R1 wird für umgerechnet nur 5.000 Euro angeboten. Der Konkurrent Engine AI ist in ähnlicher Preisklasse mit seinem Einsteigermodell unterwegs. Die auf Messen zu bewundernden boxenden und tanzenden Apparate kosten derzeit um die 12.000 Euro. Der Preis für tatsächlich in der Industrie einsetzbare Geräte oder Service-Roboter, die eigenständig Kaffee zubereiten, liegt allerdings noch eher beim Fünffachen.

Autoindustrie greift zu

Unitree, UB Tech Robotics und Leju finden erste Abnehmer in Chinas Autoindustrie. In Fabriken von BYD, Geely oder dem chinesischen VW-Partner FAW sind bereits ein paar hundert Roboter für Hebetätigkeiten, Komponentensortierung oder Instrumententests im Probeeinsatz. Foxconn als weltgrößter Auftragsfertiger für Konsumelektronik zeigt ebenfalls Interesse. Erste Nachfrage gibt es auch auf Seite von Alterspflegeeinrichtungen. Zu den wichtigsten Abnehmern gehören derzeit Universitäten, die vor allem für Research-Zwecke ordern.

Die Aussichten auf Massenproduktion sind noch bescheiden, aber der Markt kommt in Bewegung. Für 2025 erwartet der Think Tank Leaderobot den Bau von mindestens 10.000 chinesischen Robotern in Menschengestalt. Das wäre mehr als die Hälfte der globalen Produktion. Für 2026 wird bereits ein Marktpotenzial für kommerzielle Anwendungen von 25 Mrd. Yuan oder rund 3 Mrd. Euro veranschlagt. In Fortschreibung des Trends stünde bis 2030 eine Verdreifachung an.

Musk zollt Respekt

Kommende Dekade dürfte es in Erwartung entsprechender KI-Fortschritte sehr viel steiler aufwärtsgehen. Eine Prognose von Goldman Sachs für globale Verbreitung lässt bis 2036 einen globalen Gesamtmarkt von über 38 Mrd. Dollar erwarten. Dass chinesische Firmen auf dem neuen Gebiet eine ähnliche Dominanz wie bei der Entwicklung von Elektromobilität und Batterietechnik erringen werden, erscheint vorprogrammiert. Tesla-Gründer Elon Musk, der an der hauseigenen Weltmarktführerschaft selbstverständlich keine Zweifel hegt, drückt es auf seine Weise aus. „Ich denke mal, auf den Plätzen 2 bis 10 werden in Zukunft durchweg chinesische Firmen stehen.“