LeitartikelSchattenbanken

Chinas Nacktschwimmer kommen zum Vorschein

Chinas Wirtschaftsgefüge zeigt sich von einer ungewohnten konjunkturellen Ebbe herausfordert. Hässliche Missstände im Finanzsystem werden sichtbar.

Chinas Nacktschwimmer kommen zum Vorschein

China

Alles schaut auf die Nacktschwimmer

Chinas Wirtschaftsgefüge ist mit konjunktureller Ebbe konfrontiert. Hässliche Missstände im Finanzsystem werden sichtbar.

Von Norbert Hellmann

Wie war das gleich noch mit dem bekannten Bonmot der US-Investorenlegende Warren Buffett? Erst wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer die ganze Zeit ohne Badehose geschwommen ist. Es geht um Anlagekonzepte, die nicht nur in Boomzeiten und bei sprudelnder Marktliquidität funktionieren. In China erlebt man derzeit schwierige konjunkturelle Zeiten, ein liquiditätsarmes Börsengeschehen und ein reichlich angeknackstes Wirtschaftsvertrauen. Chinas Immobilienmarkt, der über drei Jahrzehnte hinweg als wesentlicher Motor für den Daueraufschwung fungierte, ist nicht mehr das, was er einmal war.

Die führenden Immobilienentwickler sind mit verschuldungsgetriebenen Geschäftsmodellen unterwegs, die einem Gezeitenwechsel nicht standhalten. Nun, da der Wohnimmobilienmarkt schleppender läuft und die gewohnten Cashflows aus vorverkauften Wohnanlageprojekten versiegen, befinden sie sich in einer dramatischen Liquiditätsklemme, die Chinas Konjunkturlenkern wie auch Finanzstabilitätswächtern Kopfschmerzen bereitet. Inmitten des angespannten Marktklimas wird mit der Schattenbankgruppe Zhongzhi ein geradezu riesenhafter unfreiwilliger Nudist erkennbar.

Unter dem Dach der privaten Finanzholding befindet sich ein Sammelsurium von Investmentaktivitäten, die von Private Equity über Wealth Management bis zum Trust Fund reichen. Letzteres ist eine in China prominent vertretenen Schattenbankform, die sich als eine Art Mischung aus Hedgefonds und Kreditinstitut darstellt. Die Trusts sind ein wesentliches Bindeglied für die Finanzierung von Immobilienfirmen mit hohem Risikoprofil und tätigen Investments im Sektor, aus denen Anlageprodukte entstehen, die reißenden Absatz finden.

Zhongrong Trust und drei weitere zum Zongzhi-Verbund zählende Gesellschaften haben im August eine Reihe von fälligen Investmentprodukten nicht zurückzahlen können und damit für mächtige Aufregung an Chinas Finanzmärkten gesorgt. Anlass zur Besorgnis gibt es aus einer Reihe von Gründen. Bekannt ist, dass sich Schattenbanken in der Annahme einer positiven Wende am Immobilienmarkt in brachliegenden Bauprojekten engagiert haben und darauf hochverzinsliche Investmentprodukte begeben, die nun wackeln. Das macht den von den Privatanlegern stets als sicher wahrgenommenen Immobiliensektor erst recht zur Gefahrenzone.

Der Fall Zhongzhi lässt aber auch auf übergeordneter Finanzstabilitätsebene Warnleuchten aufblinken. Es handelt sich um einen der größten Assetmanager im Land mit einem Verwaltungsvolumen von mehr als 120 Mrd. Euro. Man geht davon aus, dass im Hause Zhongzhi von Chinas Finanzregulatoren eigentlich untersagte, aber nie wirksam überwachte Pooling-Praktiken stattfinden. Dabei werden aus allen Teilen der Holding neu hereingenommene Gelder ohne klare Zuordnung für die Bedienung der Abertausende von herausgegebenen Investmentprodukten verwendet. Zahlungsausfälle sind dann ein Anzeichen dafür, dass die gesamte Firma in einer Liquiditätskrise steckt, aus der es keinen offensichtlichen Ausweg gibt. Man kennt eine solche Problematik aus westlichen Anlegerskandalen wie dem Wall-Street-Fiasko rund um Bernie Madoff und seinen letztlich auf einem Schneeballsystem beruhenden Investmentfonds.

Nun ist keineswegs gesagt, dass die in China einen guten Ruf genießende Zhongzhi mit betrügerischen Machenschaften unterwegs ist. Problematisch ist, dass relativ kurzfristige hochverzinsliche Investmentprodukte, die einem hohen Fristentransformationsrisiko unterliegen, bei verzerrter Risiko-Rendite-Konstellation massenhaft vertrieben werden. Das System platzt unweigerlich, wenn nicht genügend neue Gelder hereingenommen werden, um die laufenden Anlegeransprüche zu befriedigen. Die in den letzten Jahren stark gewachsene Schattenbank-Krake droht an einem Turbo-Geschäftsmodell zu scheitern, das in Chinas Konjunktur- und Marktverfassung keinen Platz mehr hat. Es bleibt die Frage, ob Zhongzhi einen Einzelfall darstellt oder symptomatisch für Probleme im Schattenbankwesen steht. In diesem Jahr wird sich zeigen, ob Chinas Finanzsystem auch bei Ebbe eine gute Figur machen kann.