Chinas Nationalschnaps taumelt in die Krise
Chinas Nationalschnaps taumelt in die Krise
Notiert in Schanghai
Nationalschnaps taumelt in die Krise
Von Norbert Hellmann
Chinas gigantischer Spirituosenmarkt ist in Aufruhr. Die Weicheier und Warmduscher der Generation Z haben Schuld. Es geht um das Nationalgetränk Baijiu: ein knallharter, klarer hochprozentiger Schnaps aus Sorghum-Hirse. Er wärmt seit Jahrhunderten, nein Jahrtausenden die Gemüter, inspirierte den größten Dichter und Schluckspecht des Landes Li Bai zu Höchstleistungen und ist aus kommunistischen Parteizirkeln nicht wegzudenken.
Parade-Aktie
Der beste Baijiu kommt aus der strukturschwachen Provinz Guizhou, für den sich das Staatsunternehmen Kweichow Moutai verbürgt. Moutai ist ein absolutes Luxusgut und der Brennstoff für die besonderen Anlässe. Dank preisunelastischer Nachfrage konnte das Unternehmen mit Jahresumsätzen von umgerechnet mehr als 20 Mrd. Euro bislang stets die hohen Umdrehungen halten. Gerade für ausländische Investoren gibt die Moutai-Aktie als zuverlässigster Konsumwert den Anker eines jeden gescheiten China-Portefeuilles ab.
Labubu-Softies
Chinas Aktienmarkt ist seit Monaten in absoluter Hochform. Die Moutai-Aktie und auch die Kurse der anderen 20 börsennotierten Baijiu-Produzenten aber schmierten im Frühjahr ab und kommen seitdem nicht mehr vom Fleck. Was ist passiert? Chinas junge Generation Z als mittlerweile tonangebende Konsumentenschicht kann das Zeug, das ihre Eltern noch stetig begeistert, nicht leiden. Das soll nicht heißen, dass Gen Z keinen Alkohol tringt. Aber die auf Labubu-Puppen, Haustierverwöhnung und „Emotional Experiences“ geeichte Verbrauchergeneration zieht daraus nicht jene Selbstverwöhnung und Seelenschmeichelei, auf die es mittlerweile ankommt.
Fliegende Göttin stürzt ab
Bei den Branchenführern Moutai und Wuliangye herrscht Krisenstimmung. Das Absatzwachstum verkümmert und die Traummargen verfallen, weil die Luxuspreise verdampfen. Das einst so knapp gehaltene Topprodukt Moutai Feitian (Fliegende Göttin) bekommt man mittlerweile zu Spottpreisen nachgeworfen. Die ikonische Halbliterflasche kostet „nur noch“ schlappe 1700 Yuan (gut 200 Euro). Zuvor lag man stets zuverlässig bei über 3000 Yuan.
CATL zischt vorbei
An der Börse hat das Konsequenzen. Superstar Moutai, über viele Jahre hinweg Chinas wertvollste Aktie, steht nur noch auf Platz Sieben. Die Marktkapitalisierung ist von 400 auf gut 250 Mrd. Dollar geschrumpft. Die Tech-Riesen Tencent und Alibaba und die drei größten Banken liegen jetzt wieder vor Moutai. Kürzlich ist, oh Schande, auch noch der Batteriehersteller CATL am Schnapsbrenner vorbeigezogen.
Verwässerungstaktik
Was kann die Branche jetzt noch retten? Nur ein abenteuerliches Sakrileg, nämlich die Verwässerung von Baijiu, für den bislang 53% Alkoholgehalt als Mindestmuss galt. Moutai hat sein Topprodukt in einer Nebenversion auf 38% abgeschwächt und deutlich verbilligt. Wuliangye lässt beim Anbiedern an Gen-Z-Geschmäcker erst recht nichts anbrennen. Das neue, jungendgerechte Baijiu-Party-Produkt nennt sich Crush On und kommt mit jämmerlichen 29% daher.
