Das Geschäft mit gefährlichem Abfall
Das Geschäft mit gefährlichem Abfall
Das Geschäft mit gefährlichem Abfall
Mehrere Akquisitionen haben den lukrativen, aber zersplitterten Markt zuletzt in den Fokus gerückt, darunter die Milliarden-Übernahme von Clean Earth aus den USA durch Veolia.
wü Paris
Von Gesche Wüpper, Paris
Sie sind explosiv oder entzündlich, toxisch oder ätzend. Und doch sind die Substanzen für einige Unternehmen wertvolle Ressourcen. Denn gefährliche Abfälle wie Lösungsmittel, Altöl, Laborchemikalien oder Autobatterien müssen sicher entsorgt werden, um kein Risiko mehr darzustellen. Der Markt für Sonderabfälle dürfte in den nächsten Jahren sogar stärker wachsen als das gesamte Abfallgeschäft, da die Auflagen für gefährliche Abfälle weltweit steigen und Sondermüll oft wichtige Rohstoffe enthält, die mit entsprechender Technologie recycelt werden können.
Mehrere Akquisitionen haben die Branche in den letzten Monaten in den Fokus gerückt. So hat Veolia gerade angekündigt, den amerikanischen Sondermüll-Spezialisten Clean Earth für 3 Mrd. Dollar von Enviri kaufen zu wollen. Der Umweltdienstleister hat bereits in den Monaten davor fünf lokale Akteure in Brasilien, Japan und den USA für 300 Mill. Euro übernommen. In Frankreich wiederum hat der Verkauf der Flamme-Gruppe zu Beginn des Jahres starkes Interesse ausgelöst. Das auf Sonderabfall spezialisierte Familienunternehmen, das im Norden des Landes zwei Verbrennungsanlagen betreibt, ging für 300 Mill. Euro — dem dreifachen seines Umsatzes — an die ebenfalls familiendominierte Gruppe Séché Environnement.
Stützende Tendenzen
Fast alle Akteure, die im Geschäft mit gefährlichen Abfällen tätig sind, hatten ein Auge auf Flamme geworfen, vor allem Suez. Der inzwischen nicht mehr börsennotierte Umweltdienstleister hat durch die Übernahme eines Großteils seiner internationalen Aktivitäten durch Veolia Zweidrittel seines Umsatzes eingebüßt. Zwar ist er noch immer im Geschäft mit gefährlichem Müll aktiv, gehört jedoch nicht zu den führenden europäischen Anbietern. Zu ihnen zählen neben Marktführer Veolia das Rethmann-Unternehmen Remondis aus Deutschland mit der Sonderabfalltochter Remondis Industrie Services, Indaver aus Belgien, Tradebe aus Spanien und eben Séché aus Frankreich.
In den USA, wo Veolia jetzt durch die Übernahme von Clean Earth von der Nummer Drei der Branche zur Nummer Zwei nach Clean Harbors aufsteigt, sind Arcwood Environmentals und Republic Services weitere führende Anbieter. Außer Clean Harbors, Republic Services, Séché und Veolia ist keiner dieser Sondermüllspezialisten an der Börse notiert. Eigentlich handele es sich bei dem Geschäft mit Sondermüll um eine Nische, meint Manuel Andersen, der Investor Relations-Chef von Séché. Doch sie profitiere von starken Trends, da es bei der Beseitigung von Sondermüll auch um Themen wie Gesundheit, Umwelt und Biodiversität geht.
Stärkeres Wachstum
Während Veolia den weltweiten Abfallmarkt in diesem Jahr auf 1.300 Mrd. Euro schätzt, veranschlagt der französische CAC 40-Konzern den globalen Markt für Sonderabfall auf 35 Mrd. Euro. Veolia geht jedoch davon aus, dass er bis 2030 um 3,5% pro Jahr zulegen dürfte, das normale Abfallgeschäft dagegen nur 3%. Gefährlicher Müll ist denn auch neben Wassertechnologie sowie lokaler und Bio-Energie einer der drei Wachstumstreiber ist, auf die Veolia in seinem Strategieplan für die Zukunft setzt.
Zersplitterter Markt
Die weltweite Nummer Eins im Entsorgungsgeschäft will den Umsatz mit gefährlichen Abfällen bis 2030 um 50% steigern und das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) bis 2027 um 10% pro Jahr. Zum Vergleich: Zuletzt kam Veolia 2024 mit Sondermüll auf einen Umsatz von 4,3 Mrd. Euro, während der Umsatz des gesamten Abfallgeschäfts 15,7 Mrd. Euro betrug. Mit einem Ebitda von 14% war die Sparte jedoch bisher etwas weniger rentabel als alle Aktivitäten des Konzerns zusammen, der insgesamt ein Ebitda von 15,2% auswies. Das Ebitda des Sonderabfallgeschäfts soll nun jedoch im Zeitraum 2024 bis 2027 dank höherer Volumen, Investitionen und Effizienzsteigerungen im Schnitt um mindestens 10% jährlich steigen.

In seinem französischen Heimatmarkt kommt Veolia bei Sondermüll laut Informationen des Anlegerportals „Investir“ auf einen Marktanteil von 37% gefolgt von Séché mit 25% sowie Suez und Zementherstellern mit jeweil 17%. Séché erwartet in diesem Jahr einen Umsatz von 1,7 Mrd. Euro. Gefährlicher Müll macht 70% davon aus. Die Gruppe ist damit fast doppelt so groß wie ihr belgischer Konkurrent Indaver, der in Hamburg, Biebersheim und Antwerpen drei Anlagen für Sondermüll betreibt und letztes Jahr auf einen Gesamtumsatz von 945 Mill. Euro kam.
Im Vergleich zu Veolia und Remondis ist Séché dagegen relativ klein. Das Rethmann-Unternehmen aus Lünen verbuchte 2024 mit ihrem gesamten Abfallgeschäft einen Umsatz von 13,2 Mrd. Euro. Ihre auf gefährliche Abfälle spezialisierte Tochter Remondis Industrie Services ist weltweit an 133 Standorten in Deutschland, Belgien, Luxemburg, den Niederlanden sowie China, Taiwan und Thailand präsent, nicht jedoch in den USA, wo Veolia seine Präsenz mit der Übernahme von Clean Earth stark ausbauen wird.
KI heizt Nachfrage an
Dank der Akquisition, die Mitte nächsten Jahres abgeschlossen sein wird, wird der CAC 40-Konzern Standorte in zehn US-Bundesstaaten dazubekommen, in denen er bisher nicht vertreten war, vor allem im Südosten und Nordwesten des Landes. „Das ist ein Wendepunkt für unsere internationale Entwicklung“, sagt Veolia-Chefin Estelle Brachlianoff. Seit der Übernahme der meisten Suez-Aktivitäten vor drei Jahren sei der Kauf von Clean Earth die Transaktion, die Veolia am meisten verwandele. Sie ermöglicht dem Umweltdienstleister nicht nur, den Umsatz mit gefährlichen Abfällen in den USA zu verdoppeln, nachdem er mit dem Bereich letztes Jahr in Nordamerika auf einen Umsatz von 1,3 Mrd. Euro gekommen ist. Der Umsatz des gesamten Geschäftsbereichs Sondermüll wird nach Angaben Brachlianoffs durch den Zukauf auf 5,2 Mrd. Euro steigen, das Ebitda auf 17%.
Der Markt für gefährlichen Abfall in den USA ist weniger strukturiert als in Europa, wächst mit gut 5% pro Jahr jedoch auch stärker. Denn die Entsorgung von Sonderabfall ist für sich wandelnde Schlüsselzweige der Industrie wie Technologie, Halbleiter, umfreundliche Energien und Gesundheit unerlässlich. Der Boom Künstlicher Intelligenz (KI) dürfte den Bedarf weiter anheizen, da in den dafür notwendigen riesigen Rechenzentren viel Elektroschrott anfällt, der oft gefährliche Substanzen wie Merkur und Blei enthält.
Lösungen für PFAS
Auch die durch die Schadstoffbelastung für die öffentliche Gesundheit ausgehende Gefahr dürfte das Geschäft mit gefährlichem Abfall ankurbeln. So steigt die Nachfrage nach Lösungen, um Wasser zu behandeln, das mit per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen verschmutzt ist, den als Ewigkeitschemikalien bekannten sogenannten PFAS. Veolia-Chefin Brachlianoff hat vor einem Jahr angekündigt, den Umsatz damit bis 2030 von zuletzt 50 Mill. Euro auf 1 Mrd. Euro ausbauen zu wollen.
