LeitartikelSpanische Banken

Das Problem des neuen Überflusses

Nach schweren Jahren strotzt die Bankbranche in Spanien derzeit vor Ertragskraft. Doch gegenüber Politik und Kundschaft sind die Institute kniepig.

Das Problem des neuen Überflusses

Spanische Banken

Das Problem des neuen Überflusses

Nach schweren Jahren strotzt die Branche vor Ertragskraft. Doch gegenüber Politik und Kundschaft sind die Institute kniepig.

Von Thilo Schäfer

Spaniens Banken feiern dieser Tage reichlich Rekorde. Die sechs Geldinstitute des Schwergewichtsindex Ibex 35 haben in den ersten neun Monaten des Jahres zusammen fast 20 Mrd. Euro Gewinn nach Steuern geschrieben, ein Plus von 24% gegenüber 2022. Die drastische Zinserhöhung in der Eurozone und anderen Märkten wie Großbritannien oder Mexiko hat das klassische Privatkundengeschäft, das den Großteil der Geschäfte der spanischen Geldhäuser ausmacht, beflügelt. Darüber können sich derzeit vor allem die lange Zeit gebeutelten Aktionäre freuen, die mit gestiegenen Kursen, höheren Dividenden und Aktienrückkäufen im großen Stil belohnt werden.

Doch andere blicken mit einer Portion Skepsis auf die sprudelnden Quartalsgewinne der Banken, nämlich die Regierung, die Aufseher und nicht zuletzt viele Kunden, für die der Zinsanstieg eher Nachteile bringt. Die Linksregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez sieht in den Rekordgewinnen die ultimative Bestätigung für ihre umstrittene Sondersteuer für die Bankbranche und einen trefflichen Grund, diese ursprünglich auf zwei Jahre angelegte Maßnahme beizubehalten. Im Koalitionsabkommen zwischen Sozialisten und Linken ist eine Verlängerung der Abgabe vorgesehen, wenn auch nicht unbedingt in der aktuellen Form von 4,8% auf Erträge aus Zinsüberschuss und Provisionen. Die linke Minderheitsregierung, sofern Sánchez denn im Parlament die nötigen Stimmen für seine Wiederwahl zusammenbekommt, sollte sich eine berechtigte Kritik der Banken zu Herzen nehmen. Eine Umsatzsteuer, so wie es die Abgabe jetzt ist, birgt nämlich Risiken, sobald der nächste Abschwung kommt.  Auch die von den Vorständen in den letzten Tagen erneut vorgebrachte Klage über die Rechtssicherheit ist ernst zu nehmen. Zeitlich begrenzte Sondermaßnahmen sollten mit großer Vorsicht eingesetzt werden.  

Im PR-Krieg mit der Politik gegenüber der Öffentlichkeit können die Banken dagegen nicht punkten. Ihre Argumente wirken auf die Menschen nicht besonders plausibel. Auf den Pressekonferenzen zu den Quartalszahlen warnten fast alle CEOs sehr eindringlich davor, dass die Sondersteuer die Kreditvergabe einschränken könne. Weniger Kapital führt zu weniger Darlehen, so die Rechnung der Banker. Doch scheint ein Mangel an Kapital derzeit kein Problem zu sein, wie die Branche in Bezug auf ein anderes kontroverses Thema selbst einräumt. Denn die gestiegenen Zinsen haben zwar Hypotheken und andere Kredite verteuert. Die Einlagen der Kunden werden jedoch kaum besser vergütet, in jedem Fall weniger als in anderen Ländern der Eurozone. Von Santander bis Caixabank und BBVA erklärten alle CEOs, dass man es derzeit gar nicht nötig habe, viel Zinsen auf Einlagen zu zahlen, da reichlich Liquidität im System vorhanden sei. Außerdem gehe die Kreditvergabe zurück, weshalb man auf das Ersparte der Kunden gegenwärtig nicht angewiesen sei. Trotz der Bankensteuer scheinen also noch ausreichend Mittel da zu sein, um die Wirtschaft mit Darlehen zu versorgen.

Fremdkapital ist teurer als Eigenkapital. Doch auch davon haben die Banken derzeit reichlich. Abgesehen von den Rekordgewinnen sitzen etwa BBVA und Caixabank noch auf Überschussliquidität aus dem Verkauf des US-Geschäfts beziehungsweise der Fusion mit Bankia. Bei der Europäischen Zentralbank und dem Banco de España ist man allerdings nicht erfreut über die großzügige Vergütungspolitik der spanischen Banken sowie die milliardenschweren Aktienrückkäufe. Die Kreditinstitute sollten die Gunst der Stunde zur Stärkung ihrer Bilanzen nutzen, fordern die Aufseher in Frankfurt und Madrid. Doch das Risiko von massiven Kreditausfällen treibt den Bankern keine Sorgenfalten auf die Stirn. Im Gegensatz zur Finanzkrise ist die Verschuldung von Haushalten und Unternehmen in Spanien heute geringer und der Arbeitsmarkt zeigt sich erstaunlich robust.

Den Kritikern halten die Banken entgegen, dass sich ihre Aktienkurse nach sehr langer Dürrezeit nun endlich wieder dem Buchwert der Institute annähern (nur Bankinter liegt darüber). Das ist gut, aber die Branche sollte darauf achten, dass man bei der Verwendung des Überflusses nicht nur auf die Aktionäre schaut.

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