Der Credit-Suisse-Schock könnte heilsam sein
Schweizer Banken
Heilsamer Credit-Suisse-Schock
Von Daniel Zulauf
Auch wenn die Großbankenfusion Wohlstand kosten wird, könnte der Schock für den Finanzplatz Zürich von Vorteil sein.
Am 12. Juni ist Schluss. Wie die beiden Institute am Montag bekannt gegeben haben, wird die Credit Suisse an diesem Tag definitiv ein Teil ihrer Dauerrivalin UBS. Wie es weitergeht, ist offen, auch mit Blick auf die Frage nach den volkswirtschaftlichen Kosten der Großfusion. UBS-Chef Sergio Ermotti hat seine weltweit 124.000 und schweizweit fast 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon mal auf einen „schmerzhaften“ Prozess eingestimmt.
Es kursieren Zahlen von einem Abbau von bis zu 30% aller Stellen in der neuen „Superbank“. Ein derartiger Kahlschlag in einem der produktivsten Wirtschaftssektoren hätte für die Schweiz ernsthafte Folgen. Nach den Berechnungen des Prognoseinstituts BAK Basel generiert ein Arbeitsplatz in der Branche eine durchschnittliche Bruttowertschöpfung von 290.000 sfr pro Jahr. Unter der zugegebenermaßen strengen Annahme, dass die neue UBS tatsächlich allein in der Schweiz 10.000 Stellen streicht und die freigesetzten Leute keine andere Anstellung finden, ergäbe sich ein direkter volkswirtschaftlicher Verlust von 2,9 Mrd. sfr.
Dazu käme in der bei anderer Gelegenheit angewendeten Berechnungslogik von BAK Basel ein indirekter Verlust von 2,4 Mrd. sfr. Dieser ergibt sich aus einem Multiplikator, wie er in lobbyfinanzierten Standortanalysen oftmals bemüht wird, um die Bedeutung einer Branche herauszustreichen. Nimmt man ihn für bare Münze, muss er logischerweise auch für den Fall gelten, dass eine Bank von der Bildfläche verschwindet. Im Fall der Credit Suisse würde sich jeder verlorene Wertschöpfungsfranken im Finanzsektor mit einem Faktor 1,83 negativ auf Investitionen in anderen Industrien auswirken. So kommt man mit den BAK-Zahlen auf einen potenziellen Wohlstandsverlust für die Schweiz von 5,3 Mrd. sfr. Das wären rund 0,7% des Schweizer Bruttoinlandsproduktes.
Zum Glück darf man davon ausgehen, dass BAK Basel – auf Wunsch ihrer Auftraggeberin, der Schweizerischen Bankiervereinigung – ziemlich großzügig gerechnet hat. Weil die Berechnung auch von anderen Schlüsselbranchen wie etwa der Pharmaindustrie gerne angewendet wird, führt sie in der Summe naturgemäß zu einer starken Überzeichnung der nationalen Wirtschaftsleistung.
Näher an die Realität führt die Analyse der monatlichen Bankenstatistik der Schweizerischen Nationalbank. Demnach würde von den 221 Mrd. sfr an Kundengeldern, die von der Credit Suisse abgezogen wurden, etwas mehr als die Hälfte bei Banken im Inland verbleiben. Selbst wenn es stimmt, dass der Notfusion 10.000 Stellen zum Opfer fallen, dürften daher viele von ihnen eine neue Stelle im übrigen Schweizer Bankensektor finden. Auch wenn man Skaleneffekte berücksichtigt, müssen die Wettbewerber das zusätzlich Geschäft, das ihnen die Schieflage der Credit Suisse beschert hat, bearbeiten, was nicht ohne Neueinstellungen zu bewerkstelligen sein dürfte.
Auch dann noch ist der volkswirtschaftliche Schaden hoch. Doch es stellt sich auch die Frage, wie gut die von der Credit Suisse geflohenen Kunden überhaupt zum konservativ-soliden Finanzplatz Schweiz gepasst haben. Der frühere UBS-Chef Ralph Hamers hatte schon Wochen vor der Rettungsaktion erklärt, weshalb er sich wenig Hoffnung auf den Zustrom ihrer flüchtigen Kunden aus dem asiatischen Raum machte: „Wir haben nicht den gleichen Risikoappetit wie andere Banken in der Region.“ Vermutlich sind viele chinesische Milliardäre, die sich gerne mal hochspekulative Finanzgeschäfte finanzieren lassen, inzwischen Kunden von großen US-Banken.
Für den Finanzplatz muss das nicht nur ein Nachteil sein. Die erzwungene Rückbesinnung auf die Kernkompetenzen könnte der Branche sogar guttun. Und auch die Größe der neuen UBS birgt neben Risiken wie der drohenden Kreditverknappung auch Vorteile. Um unter die Kostenrechnung der letzten Schweizer Großbankenfusion einen Strich zu ziehen, ist es noch zu früh. Die Erfahrung lehrt aber, dass ökonomische Schocks längerfristig oft ganz andere Folgen zeigen als kurzfristig erwartet. Das wird auch diesmal nicht anders sein.