KommentarTrotz Milliardendeals und fortschreitender Adoption

Der Kryptomarkt wird nie erwachsen

Enthusiasten glauben stärker denn je an einen Aufstieg von Digital Assets in den Finanz-Mainstream. Doch kann eine Assetklasse, die so von Betrug geprägt ist, nie zur belastbaren Alternative für institutionelle Anleger werden.

Der Kryptomarkt wird nie erwachsen

Der Kryptomarkt wird nie erwachsen

Von Alex Wehnert

Trotz eines verstärkten Einstiegs institutioneller Investoren ist und bleibt der Kryptomarkt von Betrug und Manipulation geprägt. Damit kann er für institutionelle Investoren keine belastbare Alternative darstellen.

Keine andere Investorengruppe ist so gut darin, sich selbst etwas vorzumachen, wie die Anleger am Markt für digitale Anlagen. Das zeigt sich auch anhand der aktuellen Begeisterung um eine vermeintlich fortschreitende institutionelle Adoption von Kryptowährungen, die angeblich durch eine fortschrittlichere Regulierung getrieben wird. In Wahrheit sind die Initiativen von US-Präsident Donald Trump pro Cyberdevisen – darunter auch sein Exekutivbeschluss zur Schaffung einer strategischen nationalen Bitcoin-Reserve – rein opportunistisch getrieben.

Trump als opportunistischer Unterstützer

Denn der Republikaner sucht ganz simpel die Goldgräberstimmung im Segment anzuheizen, um sich über Projekte wie die von ihm und First Lady Melania Trump lancierten Meme Coins persönlich zu bereichern. Börsenbetreiber wie die CME Group, die nun ihr Angebot an Krypto-Derivaten ausweiten, tun dies weniger aus Überzeugung davon, dass der Markt über Bitcoin und die zweitgrößte Cyberdevise Ether hinaus noch Assets mit irgendeiner wertschöpfenden Funktion bereit hält – sie reiten dabei lediglich auf der aktuellen Welle mit.

Auch das Argument, dass Deals wie die am Donnerstag verkündete 2,9 Mrd. Dollar schwere Akquisition der Optionsbörse Deribit durch die führende US-Kryptoplattform Coinbase dafür sprechen, dass der Markt erwachsen wird, ist geradezu lachhaft. In der Wahrnehmung von Digital Assets als in den Vereinigten Staaten weitgehend unregulierter Kinderspielplatz ändert sich dadurch, dass eine Adresse im Segment genügend Liquidität besitzt, um eine andere in einem größtenteils auch noch aktienbasierten Deal zu übernehmen, gar nichts. Allerhöchstens dürfte die Transaktion die Sorge davor wecken, dass amerikanische Anleger über die vergleichsweise etablierte und selbst börsennotierte Coinbase zunehmend in undurchsichtigere Derivateportale gelockt werden.

Keine Aussicht auf sinnvolle Regulierung

Dass unter der in jeglicher Hinsicht erratisch agierenden Administration in Washington umfassende Rahmenwerke zur Regulierung solcher Marktplätze entstehen, ist wohl vollkommen unrealistisch. Wie James Butterfill, Research-Chef beim Vermögensverwalter Coinshares, richtig anmerkt, schadet Trumps Politik der Glaubwürdigkeit des Kryptomarktes langfristig mehr, als dem Segment über kurzfristige Kursgewinne zu nutzen. Denn wie sollen institutionelle Investoren ernsthaft Zutrauen zu einer Assetklasse fassen, deren eingefleischte Teilnehmer sich so willfährig vom Mehrfach-Pleitier im Weißen Haus um den Finger wickeln und manipulieren lassen?

Hinzu kommt, dass wiederholt Erinnerungen an große Krypto-Betrugsfälle der vergangenen Jahr hochkochen. In der abgelaufenen Woche hat ein US-Gericht Alex Mashinsky, Gründer der kollabierten Lending-Plattform Celsius Network, zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Krypto-Jünger versuchen solche Ereignisse stets ins Positive zu verkehren – doch dass die kriminellen Elemente aus dem Markt herausgespült werden, ist seit Jahren die verbreitete Losung. Auf die folgt dann in der Regel schnell der nächste Betrugsfall, durch den Scharen an Anlegern enorme finanzielle Schäden erleiden.

Narrativ vom Inflationsschutz geht nicht auf

Das Narrativ, dass große Adressen des Finanzmarkts Bitcoin aufgrund der per Protokoll festgelegten Begrenzung auf 21 Millionen Einheiten zunehmend als digitales Gold begreifen, ergibt bei genauerer Betrachtung jedenfalls wenig Sinn. Denn dafür sind die Allokationen in den Portfolios viel zu gering. Institutionelle sehen Bitcoin vielmehr als hoch riskantes Asset, das sie zwar beimischen, bei jeglichen Turbulenzen aber als erstes wieder an den Markt werfen. So brach die Cyberdevise zwischen Jahresbeginn und dem 8. April in schöner Parallelität zu den Aktienmärkten um 18% ein – erst nach Entspannungssignalen im globalen Handelskrieg folgte die Erholung, die ihr seit Anfang Januar gerechnet nun ein Kursplus von über 10% beschert.

Bitcoin kann als Inflationsschutz genau aufgrund dieses Status als Risiko-Asset, der sich mit zunehmendem Einstieg institutioneller Investoren noch festigt, nicht funktionieren. Denn damit ist die Kryptowährung auf eine üppige Liquiditätssituation an den breiten Finanzmärkten angewiesen. Sorgen vor neuen Verbraucherpreisanstiegen zwingen die Federal Reserve aber, an ihren hohen Zinsniveaus festzuhalten oder eventuell sogar wieder zu einer restriktiveren Geldpolitik zu greifen – was den Märkten aber Liquidität entzieht und damit Risiko-Assets unter Druck setzt. Doch Krypto-Enthusiasten sehen eben nur, was sie sehen wollen. Zum Erwachsenwerden gehört aber, unangenehmen Wahrheiten ins Auge zu blicken.

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