Dieser Jahrestag erfüllt die hiesige Energiewirtschaft mit gewissem Stolz: „Die Gasversorgung wurde erfolgreich auf ein neues Fundament gestellt“, verkündet Kerstin Andreae vom Energieverband BDEW. Vor einem Jahr hatte Russland seine Gaslieferungen nach Deutschland eingestellt. Die ermutigende Botschaft ist allerdings nur ein Teil der Wahrheit. Ein anderer: Die Abkehr von russischem Gas ist längst nicht überall in der europäischen Nachbarschaft gelungen. Der Nichtregierungsorganisation Global Witness zufolge sind zwischen Januar und Juli 22 Mrd. Kubikmeter Flüssiggas (LNG) aus Russland in der EU angekommen. Im gleichen Zeitraum 2021, vor dem Krieg, waren es demnach 40% weniger. Grundlage sind Statistiken des auf Rohstoffe spezialisierten Datenanbieters Kpler. Dieser unrühmliche Umstand wirft ein schiefes Licht auf die prall gefüllten Gasspeicher. Er relativiert auch die deutsche Erfolgsbilanz, ohne russisches Gas die Versorgung sichergestellt zu haben. Schließlich hat dazu, das betont der BDEW selbst, „der europäische Energiebinnenmarkt einen entscheidenden Beitrag geleistet“.