Die Deutsche Bank und der Mut zur Langweile
Die Deutsche Bank und der Mut zur Langweile
Deutsche Bank
Bitte nicht mehr Lametta
Von Anna Sleegers
Visionäre Wachstums-
fantasien sucht man in der neuen Strategie der
Deutschen Bank
vergeblich. Gut so!
Bislang sind die Investoren mit dem Fokus auf profitables Geschäft jedenfalls bestens gefahren.
Die neue Strategie der Deutschen Bank ist die alte. Wer im Zuge des „Investor Deep Dive“ gehofft hatte, dass Christian Sewing und sein Führungsteam das Bankgeschäft neu erfinden würde, sah sich enttäuscht. Lange suchen kann man in den Präsentationen für den Kapitalmarkttag auch Pläne für Zukäufe. Zumindest für solche, deren Dimension groß genug wäre, das Geschäftsmodell dauerhaft zu verändern. Das spiegeln auch die Finanzziele für die kommenden drei Jahre wider. Ein Anstieg der Eigenkapitalrendite um drei Prozentpunkte und eine Verbesserung der Aufwands-Ertrags-Relation um gut fünf Prozentpunkte sind gewiss nicht unambitioniert. Verglichen mit dem Turnaround, den die Deutsche Bank in den vergangenen Jahren vollzogen hat, fällt der Blick nach vorne allerdings ein wenig unspektakulär aus.
Gewinnmitnahmen statt Kursfeuerwerk
Insofern überrascht die schmallippige Reaktion der Börse nicht wirklich. Zumal der Kurs in den Tagen vor dem DD-Day noch ein bisschen draufgelegt hatte auf die Kursverdopplung seit Jahresbeginn. Nachdem der Knalleffekt ausgeblieben war, mag der eine oder andere den richtigen Zeitpunkt für gekommen gehalten haben, um die Kursgewinne zu realisieren. Zumal die Nervosität an den Märkten vergleichsweise hoch war, nachdem der EZB-Vizepräsident Luis de Guindos die Furcht vor einem Platzen der KI-Blase gewarnt hatte. Inzwischen hat sich der Kurs jedoch wieder gefangen, was die Vermutung zulässt, dass die meisten Investoren sich nicht verprellt gefühlt haben.
Raum für positive Überraschungen
Zumal Sewing ja mehrfach betont hat, dass die Prognosen bewusst konservativ berechnet sind. So basieren die Prognosen nicht nur auf ausschließlich auf bereits beschlossenen regulatorischen und fiskalpolitischen Maßnahmen. Und auch das Einsparpotenzial von 20% durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz bei der Programmierung neuer Anwendungen nimmt sich moderat aus im Vergleich zu den Verheißungen, mit denen die Beratungsgesellschaften durch die Lande tingeln. Indem das Wachstum vor allem durch das gebührenabhängige Geschäft getragen werden soll, etwa durch die Erhöhung des diskretionären Geschäfts im Wealth Management, versucht die Deutsche Bank zudem ihre Abhängigkeit von der Zinsentwicklung zu reduzieren. All das schafft Raum für positive Überraschungen in der Zukunft.
Aktionärsmehrwert als Vergütungskriterium
Aufhorchen lassen sollte die Investoren dabei, wie die Deutsche Bank ihr Versprechen einlösen will, dauerhaft Mehrwert für Aktionäre zu schaffen. Schon die für bereits das kommende Jahr angekündigte Erhöhung der Ausschüttungsquote von 50 auf 60% ist mehr wert als blumige Renditeversprechen, deren Umsetzbarkeit von externen Faktoren abhängt. Vor allem aber soll der sogenannte Shareholder Value Add im Vergütungssystem verankert werden. Statt einfach nur mehr Geschäft zu schreiben, soll es sich also in Zukunft vor allem lohnen, smartes Geschäft zu betreiben, dort zu punkten, wo die Deutsche Bank besser ist als die Konkurrenz und dabei auch stets die Kosten im Blick zu behalten. Das ist ein vielversprechender Ansatz, um den seit 2019 erfolgreich praktizierten Fokus auch nach Abschluss der Restrukturierung fortzuführen.
Diva-Image abgelegt
Die Deutsche Bank, so viel ist deutlich geworden, hat ihre Rolle als Diva, respektive Drama Queen des europäischen Bankensektors hinter sich gelassen. Wie weit sie sich von der reinen Investmentbank angelsächsischer Prägung entfernt hat, zeigt sich auch darin, dass ihr das Schlagwort Shareholder Value Add heute wie von selbst als Aktionärsmehrwert von den Lippen geht. Das letzte deutsche Institut von globaler Relevanz hat seinen Heimatmarkt wiederentdeckt. Angesichts der wenig spektakulären Ankündigung mag man konstatieren: Früher war mehr Lametta. Schlecht für die Investoren ist das allerdings nicht, ganz im Gegenteil. Schließlich liegt es in der Natur des Bankgeschäfts, am Erfolg der Realwirtschaft teilzuhaben. Solange dieser in Deutschland und Europa auf sich warten lässt, ist es eine gute Nachricht, dass sich die Deutsche Bank traut, lieber ein bisschen langweilig zu sein als wie in der Vergangenheit kostspielige Abenteuer einzugehen.
