Immobilienkonzerne auf der Suche nach Wachstum
Beton war gestern
Weil das konservative Mietgeschäft in Deutschland weiter belastet ist, suchen Immobilienkonzerne Alternativen. Vonovia, TAG und Aroundtown verfolgen dabei unterschiedliche Lösungsansätze.
Von Nadine Klees, Frankfurt
Früher war das Geschäft der Immobilienkonzerne überwiegend klar und bei allen gleich: Wohnungen in Deutschland verwalten und vermieten. Doch mittlerweile verlassen mehrere Konzerne die ausgetretenen Pfade und entwickeln sich in unterschiedliche Richtungen weiter beziehungsweise verschieben ihre Fokus. Grund für die Entwicklung sind vor allem die Aussichten am deutschen Wohnungsmarkt: Auch wenn die Mieten weiter deutlich steigen, fressen die hohen Zinskosten einen Teil dieses Wachstums auf.
Deshalb suchen die Konzerne nach neue Wachstumsmöglichkeiten. „Das Spielfeld hat sich geändert“, erklärt Analyst Simon Stippig von Warburg Research. Schuld daran seien nach wie vor die hohen Zinsen: „Das wird sich die nächsten Jahre vermutlich auch nicht ändern.“ Und weil das Geschäftsmodell bei Immobilien nun mal auf Schulden basiert, werde es schwieriger. „Die Immobilienkonzerne müssen sich neue Wachstumsfelder suchen“, sagt Stippig.
Steigende Zinsen belasten
Dabei steigen die Mieten. Stippig kann sich nicht erinnern, dass die Marktmieten bei Deutschlands größtem Vermieter Vonovia in den vergangenen zehn Jahren so stark gestiegen wären wie im zweiten Quartal dieses Jahres. Doch das Zusammenspiel funktioniere nicht mehr, das Problem seien die steigenden Zinsen. „Es braucht eine Alternative für die erhöhten Zinskosten, auch wenn die Mieteinnahmen eigentlich noch lukrativer werden“, fasst der Immobilienexperte das Problem zusammen.
Was Stippig beschreibt, lässt sich an den einzelnen Konzernen genauso beobachten. Vonovia, TAG und Aroundtown zeigen exemplarisch, was sich Konzerne einfallen lassen, wenn die Zinsen hoch bleiben und zusätzlich Bürogebäude weniger nachgefragt sind. Um zusätzliches Wachstum zu generieren hat sich der Hamburger Immobilienkonzern TAG etwa vor ein paar Jahren mit Investitionen in Polen geografisch diverser aufgestellt. Co-CEO Martin Thiel beschreibt das Geschäft in Deutschland als „unheimlich stabil, unheimlich verlässlich, unheimlich planbar“. Es klingt ein wenig nach Butter-und-Brot-Geschäft. Das Wachstum des Konzerns kommt allerdings aus dem Nachbarland.
Gutes Geschäft in Polen
Dort kauft TAG nicht nur Wohnungen, sondern baut auch selbst – anschließend werden die Wohnungen nicht nur vermietet, sondern teilweise auch verkauft. „Das polnische Geschäft zeigt aktuell mehr Wachstum, ist aber auch volatiler“, sagt Thiel. „Deutschland ist ein regulierter Wohnungsmarkt, insofern ist man beschränkt bei Mieterhöhungen.“
In Polen sei der Markt dagegen unreguliert. Da könne es die nächsten Jahre nach oben, aber auch nach unten gehen. Das Portfolio der Hamburger besteht insgesamt aus 83.000 Wohnungen in Deutschland und mittlerweile bereits rund 8.700 Wohnungen in Polen, 1.400 befinden sich noch im Bau. Langfristiges Ziel dort sind etwa 20.000 Wohnungen, wobei sich Thiel auf diese Grenze auch nicht festnageln lassen will. Der Konzern kommt mit seinem Ziel in Polen schneller voran als gedacht.
Gesetze können sich ändern
Stippig hält den Gang nach Polen für eine gute Idee. Denn in Deutschland sei es für TAG irgendwann schwierig gewesen zuzukaufen. „TAG wollte die Preise nicht zahlen“, so Stippig. Daher sei der Sprung ins Nachbarland sinnvoll gewesen, um ein neues Wachstumsfeld zu erschließen. Der Vorteil, dass es dort derzeit so gut wie keine Regulierung gebe, könne allerdings irgendwann wegbrechen. „Noch ist zwar keine Regulierung in Sicht, aber Gesetze können sich ändern, auch mit Blick darauf, wie Gebäude gebaut werden.“
Darüber hinaus könnte der große Boom in Polen laut Stippig schon vorbei sein: „Das Mietwachstum lag zeitweise zweistellig, jetzt sind es noch 3%“. Das sei immer noch nicht schlecht, aber es habe sich nach hoher Inflation schon normalisiert. Das gleiche gelte für Transaktionspreise von Apartments in den größeren Städten in Polen. Zusätzliche gebe es in Polen natürlich ein Wechselkursrisiko. Mittlerweile kommt bereits ein großer Teil des TAG-Ergebnisses aus Polen. „Ein Drittel aus Polen, zwei Drittel aus Deutschlands“, sagt Thiel: „Das liegt auch daran, dass wir in Polen natürlich ein sehr starkes Verkaufsgeschäft haben. Plus das wachsende Vermietungsgeschäft.“
Vonovia stärkt kleine Segmente
Auch Vonovia kündigte vor ein paar Monaten die Rückkehr auf den Wachstumspfad an. Der Konzern will dafür einerseits wieder in Neubau investieren, andererseits Nebensegmente stärken. Der Anteil der so genannten Non-Rental-Segmente, die nicht zum klassischen Mietgeschäft gehören, am bereinigten Ergebnis (Ebitda) soll bis 2028 auf mindestens 20% steigen. 2024 lag er noch bei knapp 10%.
Vonovia-Chef Rolf Buch, der Ende des Jahres den Staffelstab an den bisherigen Vodafone-CFO Luka Mucic weitergibt, kommentiert die aktuelle Entwicklung in den Segmenten: „Wir sind mit unserer Wachstumsstrategie auf einem sehr guten Weg: Bereits zum 1. Halbjahr konnten wir den Anteil der Non-Rental-Segmente auf 14% steigern.“ Umgekehrt heißt das: Bis 2028 kommen nur noch 75 bis 80% des bereinigten Ebitda aus dem Vermietungsgeschäft. 2028 soll das bereinigte Ebitda dann auf 3,2 bis 3,5 Mrd. Euro steigen: „Das bedeutet gegenüber 2024 einen Zuwachs von rund 30%“, so Buch.
Deutlich positive Entwicklung
Die Non-Rental-Segmente haben sich laut Vonovia im Vergleich mit dem Vorjahreshalbjahr alle deutlich positiv entwickelt. Im Recurring-Sales-Geschäft, also dem Verkauf von einzelnen Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern, stiegen die Margen für die einzelnen veräußerten Wohnungen dank der Erholung der Immobilienpreise. Daher sieht Vonovia hier weiteres Potenzial. Die Haupttreiber für die positive Entwicklung im Value-Add-Geschäft, das alle wohnungsnahen Dienstleistungen umfasst, seien die verstärkten Modernisierungs- und Portfolioinvestitionen. Von ihnen profitiere die Handwerkerorganisation des Konzerns. Ebenfalls positiv entwickele sich das Geschäft im Energievertrieb.
Im Wesentlichen basiert das Wachstum nach Angaben des Vonovia-Konzerns auf drei strategischen Initiativen: erstens dem Ausbau der genannten Segmente Value-add, Development (Projektentwicklung neuer Wohngebäude) und Recurring Sales. Zweitens dank der Investitionen in innovative Technologien wie zum Beispiel den Ausbau der Photovoltaik und der Wärmepumpen-Cubes für Mehrfamilienhäuser. Und drittens dem Ausbau neuer Geschäftsbereiche, zum Beispiel Dienstleistungen für den Drittmarkt. Die Bochumer nehmen dabei serielle Modernisierung, modularen Neubau und moderne Infrastruktur in den Fokus. Dieses skalierbare Geschäftsmodell werde auch dem Drittmarkt angeboten, heißt es. Analyst Stippig bemerkt, dass keines der Felder neu sei. Aber es zeige sich, dass der Konzern mehr Fokus auf Innovation setze.
App und Rechenzentren
Aroundtown will dagegen mit einem digitalen Angebot gänzlich neue Wege gehen. Über die neue App „AT World“ bietet der Konzern ungenutzte Flächen an: Hotellobbys, Cafés oder Coworking-Spaces sollen so in flexibel buchbare Arbeitsorte verwandelt werden, wobei Aroundtown nur als Vermittler auftritt. Den Gewerbeimmobilienspezialisten belasten nicht nur die Zinsen, sondern auch hohe Leerstände. Denn sein Portfolio besteht zum großen Teil aus Büroimmobilien. Abhilfe erhofft sich Aroundtown von der Umwidmung der Büros: Einerseits in möblierte Wohnungen, die zur Kurzmiete gedacht sind (Serviced Apartments), andererseits in Rechenzentren. „Unser Ziel ist es, langfristig Rechenzentren für Hyperscaler zu bauen“, so Chief Capital Markets Officer Timothy Wright. Der Analyst Kai Klose von Berenberg hat dieses Vorgehen zuletzt als sinnvoll bezeichnet.