LeitartikelQuantitative Easing

Die EZB sollte aus ihren Fehlern lernen

Die EZB überprüft ihre geldpolitischen Instrumente. Anleihekäufe gehören selbstverständlich dazu. Doch die Notenbank sollte überdenken, wann sie dieses Mittel nutzt.

Die EZB sollte aus ihren Fehlern lernen

Quantitative Easing

Die EZB sollte aus ihren Fehlern lernen

Die EZB überprüft ihre geldpolitischen Instrumente. Anleihekäufe gehören dazu. Doch die Notenbank muss überdenken, wann sie dieses Mittel einsetzen wird.

Von Martin Pirkl

Die Welt der EZB hat sich innerhalb von nur wenigen Jahren auf den Kopf gestellt. In den 2010er Jahren war eine der größten Herausforderungen der Notenbank, die viel zu niedrige Inflation anzukurbeln. Dann kam die Pandemie und fast zeitgleich startete der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Die Inflation explodierte. Inzwischen hat die EZB die Teuerung zwar wieder eingefangen, dennoch ist die geldpolitische Lage in diesem Jahrzehnt eine völlig andere als noch im vorherigen. Die Volatilität der Inflation nimmt zu. Strukturelle Komponenten wie die Demografie oder der Klimawandel erhöhen den Inflationsdruck. Der zunehmende Einsatz von Künstlicher Intelligenz hat hingegen das Potenzial, die Teuerung abzumildern.

Die EZB prüft derzeit, ob ihre geldpolitischen Instrumente noch zu diesem Umfeld passen und wo Justierungen nötig sind. Einer der Punkte, über die außerhalb – teilweise aber auch innerhalb – der Notenbank hitzig diskutiert wird, ist der Einsatz von Anleihekäufen. Ab 2015 setzte die EZB auch auf Anleihekäufe, in der Fachsprache Quantitative Easing (QE) genannt, um die Inflation zu erhöhen. Im Jahr zuvor lag die Teuerung im Durchschnitt bei gerade mal 0,4%. Im Dezember 2014 sanken die Preise im Jahresvergleich sogar um 0,2%.

Die Tücken der Negativzinsen

Das beste Mittel zur Erhöhung der Inflation sind eigentlich Zinssenkungen, da diese Kredite verbilligen und so die wirtschaftliche Aktivität ankurbeln. Das Problem damals: Der Einlagensatz der EZB befand sich bereits im leicht negativen Bereich. Weitere Zinssenkungen hätten zu noch größeren Wertverlusten der Ersparnisse geführt. Außerdem wäre der Druck auf Banken gestiegen, Kredite an Unternehmen und Privathaushalte mit zweifelhafter Bonität zu vergeben.

Also setzte die EZB statt auf Zinssenkungen auf massive Anleihekäufe. Die Idee: Die Renditen am langen Ende drücken und so die Konjunktur ankurbeln. Der Plan ging jedoch nicht auf. Die Inflation blieb niedrig. Zugleich schwoll die Bilanz der EZB an. Die Folgen zeigen sich nun Jahre später unter anderem an Rekordverlusten bei der EZB und der Bundesbank. Zwar sind Verluste für Notenbanken weit weniger problematisch als für Geschäftsbanken, da Zentralbanken nicht insolvent werden können. Dennoch sollten sie vermeiden, zu lange rote Zahlen zu schreiben. Denn dies kann das Image der Institution bei der Bevölkerung beschädigen. Das muss die EZB vermeiden. Schließlich hat die hohe Inflation ab 2021 bereits zu einem Vertrauensverlust geführt. Und die Pläne zur Einführung des digitalen Euro könnte bei manchen auch in diese Richtung wirken.

Kein längerer Einsatz von QE

Die EZB sollte sich daher genau überlegen, wann Anleihekäufe ein sinnvolles Instrument sind. Ein kurzzeitiges Einsetzen in krisenhaften Marktphasen wie während der Pandemie ist so ein Fall. Dann stabilisieren sie die Finanzmärkte. Längere Einsätze zur Steuerung von Inflation oder Konjunktur sollten unterbleiben, da die Kosten den Nutzen bei weitem übersteigen. Und die Notenbank sollte dies auch so kommunizieren, damit sich der Finanzmarkt darauf einstellt, dass er in solchen Phasen nicht mit QE rechnen kann.

Problematisch ist auch, wenn alle erwarten, dass die EZB zu großen Kaufprogrammen greift. Hohe Spreads verlieren dann ihre eigentlich disziplinierende Wirkung – etwa auf Staaten mit einer hohen Verschuldung. Die Markterwartungen können indes auch positive Effekte haben. Das 2022 aufgesetzte EZB-Notfallprogramm TPI etwa ist noch nie zum Einsatz gekommen. Es soll eine einheitliche Geldpolitik in allen Euro-Ländern gewährleisten. Die Notenbank will zu diesen Anleihekäufen greifen, wenn es zu „ungerechtfertigten, ungeordneten Marktentwicklungen“ kommt.

Das ist so schwammig formuliert, dass jeder Marktteilnehmer eine andere Auffassung hat, wann TPI zum Einsatz kommen könnte. In der Folge hat das Instrument etwa beim Regierungschaos in Frankreich 2024 eine stärkere Ausweitung der Spreads verhindert, ohne, dass es tatsächlich eingesetzt wurde. Die unscharfe Formulierung hat sich also bewährt und sollte auch die Strategieüberprüfung der EZB überleben.

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