Die Fed tanzt auf der Kettensäge
Die Fed tanzt auf der Kettensäge
US-Bankenaufsicht
Tanz auf der Kettensäge
Personalkürzungen in der Bankenaufsicht der Federal Reserve rollen
zu einem extrem
gefährlichen Zeitpunkt auf das Finanzsystem zu.
Von Alex Wehnert
Die Federal Reserve setzt ausgerechnet zu einem Zeitpunkt zu einem Kahlschlag in ihrer Bankenaufsicht an, zu dem das Finanzsystem vor den wohl größten Herausforderungen seit 2008 steht. So schlagen derzeit interne Mitteilungen der US-Notenbank hohe Wellen, gemäß der die Vize-Vorsitzende Michelle Bowman bis Ende des kommenden Jahres 30% der Stellen in der Regulierungsabteilung abbauen will. Damit würden dort rund 350 Mitarbeiter übrig bleiben, die künftig die Kontrolle über mehr als 4.000 Geschäftsbanken in den Vereinigten Staaten behalten sollen. Zwar stehen auch im Finanzsektor die Zeichen auf eine fortschreitende Konsolidierung, zugleich verstricken sich die Institute aber in komplexe und intransparente Kreditgeschäfte, deren gewaltige Risiken zuletzt durch spektakuläre Insolvenzen zutrage getreten sind. Die systemische Stabilität steht infolgedessen nicht mehr nur auf Messers Schneide – sondern auf der Klinge der Kettensäge, die Bowman schwingt.
Motive in Zweifel
Die Motive der Fed-Vizechefin dürfen dabei durchaus in Zweifel gezogen werden. Zwar kündigte der oberste US-Währungshüter Jerome Powell bereits im Mai an, dass die Belegschaft über die gesamte Notenbank hinweg um 10% schrumpfen soll. Allerdings schwenkt Bowman nicht nur mit ihrem angepeilten Kahlschlag, sondern auch mit der Kommunikation rund um diesen auf die Linie von US-Präsident Donald Trump ein, der seit seinem Amtsantritt auf Deregulierung drängt. Auffällig ist beispielsweise, dass die Fed die operative Einheit ihrer Aufsichtsabteilung in „Business Enablement Unit“ umbenennen will – zu befürchten steht, dass die Division Banken nicht nur mehr Geschäft, sondern auch eine Ausweitung ihrer Exzesse in kaum regulierten Ecken des Finanzmarkts wie Private Credit ermöglichen wird.

picture alliance / Sipa USA | Sipa USA
Bowmans Chancen, zu Powells Nachfolgerin an der Spitze der Fed zu werden, schadet diese Initiative sicher nicht. Die Republikanerin stieg in Trumps erster Amtszeit in den Gouverneursrat der Notenbank auf, im laufenden Jahr machte der Präsident sie zur Vize-Vorsitzenden für Aufsicht. Dabei beerbte sie den Demokraten Michael Barr, der sich wegen seines Eintretens für härtere Kapitalvorgaben den Spitznamen „Erzfeind der Wall Street“ verdiente. Unter Bowman hat die Fed die Zügel bedeutend gelockert: Unter anderem fiel das Rahmenwerk des diesjährigen Bankenstresstests freundlicher aus als in den Vorjahren, sodass keines der geprüften Institute Schwierigkeiten mit der Belastungsprobe hatte. Eine weitere Aufweichung, sogar ein größeres Mitspracherecht der Banken bei den Stresstest-Kriterien, ist bereits geplant.
Dabei haben die Turbulenzen unter Regionalbanken ab 2023 gezeigt, dass die Kontrolle des Sektors trotz verschärfter Regelwerke infolge der Finanzkrise 2008 zu kurz greift. Institute wie die Silicon Valley Bank (SVB) wiesen eklatante Mängel im Risikomanagement auf, die Regulatoren viel früher hätten erkennen müssen. Dass dies nicht geschah, führen interne Untersuchungen der Einlagensicherung FDIC auch auf Personalknappheit zurück. Die Fed musste ebenfalls einräumen, dass sie signifikante Verwundbarkeiten übersehen hatte – auch, weil sie ihre Kontrollprozesse nicht schnell genug an die Komplexität des rasant gewachsenen Instituts angepasst hätten. Solche Probleme sind nicht durch weniger, sondern nur durch mehr Regulierung zu lösen. Wie eine mit der Kettensäge zurechtgestutzte Aufsichtsabteilung dies leisten soll, erschließt sich indes nicht.
Gefahren auf der Makro-Ebene
Der bevorstehende Kahlschlag bei der Fed gefährdet also über die Mikro-Ebene die Finanzstabilität, zugleich sind aber auch die Makro-Auswirkungen nicht zu unterschätzen. Indem Bowman als Kandidatin auf den Notenbankvorsitz zunehmend Trump das Wort redet, verstärkt sie die Zweifel an der politischen Unabhängigkeit der US-Geldpolitik. Dabei beruhen der Status der USA als global führender Finanzplatz und damit auch ihre Fähigkeit, stark ausgeweitete Haushaltsdefizite zu stemmen, maßgeblich auf der Stabilität ihrer Institutionen. Jedes Sägen an diesen droht, das Vertrauen in den Schuldner USA zu unterminieren und ihn tiefer in eine fiskalische Krise zu stürzen.
