Brücke oder KrückeCO2-Ausgleich

Die Fragmentierung der Regulierung

Die EU ist nicht für ihre Geschwindigkeit bekannt. Umso erstaunlicher, dass schnelle Fortschritte beim Regulierungsabbau erzielt werden. Aber führen die auch zum Ziel?

Die Fragmentierung der Regulierung

CO2-Grenzausgleich

Die Fragmentierung der Regulierung

Von Sebastian Schmid

Die EU ist nicht für ihre Geschwindigkeit bekannt. Umso erstaunlicher, dass schnelle Fortschritte beim Regulierungsabbau erzielt werden. Aber führen die auch zum Ziel?

Ursula von der Leyen ähnelt gerade einem Kind beim Sandburgenbauen. In ihrer zweiten Amtsperiode befasst sich die EU-Kommissionspräsidentin damit, die in ihrer ersten Amtsperiode mühsam aufgebaute Bürokratie wieder einzureißen. Ein erstes Element ihres „Omnibus“-Gesetzpakets wurde im Eiltempo verabschiedet. Nach Berechnungen der Kommission werden dabei 90% der Importeure aus dem CO2-Grenzausgleich ausgenommen. Nur wer jährlich Waren mit einem Gewicht von über 50 Tonnen einführt, fällt noch unter die Vorgabe.

Stahlimporteure im Nachteil

Was nach einer ökologisch sinnvollen Anpassung klingt – wer viel importiert, verursacht schließlich auch einen höheren CO2-Ausstoß –, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als fragwürdiger Ansatz. So trifft die Maßgabe beispielsweise Stahlimporteure bezogen auf den Umsatz deutlich härter als Aluminiumimporteure, obwohl die Produktion von Aluminium um ein Vielfaches CO2-intensiver ist als die von Stahl. Und bei Polyester ist das Missverhältnis von Importwert zu Gewicht und CO2-Emissionen teils sogar noch größer.

Die EU-Kommission will vor allem Mittelständler entlasten. Wenn es aber um die Entlastung der Unternehmen geht, ist eine Unterteilung nach Importmenge eine denkbar schlechte Wahl. Denn sie trifft Vertreter unterschiedlicher Branchen und Importwaren nicht nach deren Belastbarkeit. Dafür müsste etwa der Umsatz herangezogen werden. Zudem wird die personelle Kapazität, die für die Compliance von Bedeutung ist, nicht berücksichtigt. Und wie das Beispiel Stahl und Aluminium zeigt, ist nicht einmal der Klimaschutz im Fokus. Zumal Bemühungen, grünen Stahl aus Europa zu fördern, aus verschiedenen Gründen momentan lahmen. Gerade erst am Freitag hat Arcelor trotz zugesagter Milliardenförderung ein Projekt für grünen Stahl aus Deutschland eingestampft.

Mit vielerlei Maß gemessen

Die Gesetzesanpassung erreicht primär, dass die Gruppe der Konzerne, die aufgrund ihrer geringen Importvolumen vom CO2-Grenzausgleich ausgenommen sind, künftig deutlich wächst. Bei anderen Deregulierungsmaßnahmen drohen neue Maßstäbe angelegt zu werden. Es wird also nicht nur mit zweierlei, sondern mit vielerlei Maß in der EU gemessen, wenn das erste Beispiel der Deregulierung Schule macht. Die Folge wäre eine Fragmentierung der Regulierung – und eine Entlastung, die weder der Leistungsfähigkeit noch dem Klimaschutz gerecht wird.

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