LeitartikelBoom bei Private Credit

Die gefährlichste Blase seit 2008

Private Credit wächst rasant, ist für Investoren aber vollkommen intransparent. Ratingagenturen verschärfen die gewaltigen Risiken im Segment eher noch.

Die gefährlichste Blase seit 2008

Private Credit

Die gefährlichste Blase seit 2008

Von Alex Wehnert

Private Credit wächst rasant, ist für Investoren aber vollkommen intransparent. Ratingagenturen verschärfen die gewaltigen Risiken im Segment eher noch.

Der Boom um alternative Anlagen kreiert eine Blase, wie sie die Welt seit dem Kollaps des US-Häusermarkts 2008 nicht gesehen hat. Und ähnlich wie damals drohen die Ratingagenturen wieder zu verschlafen, welche Gefahren sich an den Finanzmärkten zusammenbrauen. Denn während die Kreditvergabe durch Private Equity und andere Intermediäre ohne Einlagengeschäft ins Kraut schießt und auch die Banken ihre Leveraged-Finance-Kapazitäten über Private Credit aufpumpen, ist das Segment für Investoren völlig intransparent. Aufsichtsbehörden schauen bei den hoch riskanten Aktivitäten größtenteils tatenlos zu, da Finanzdienstleister abseits der klassischen depositenführenden Institute in den USA kaum reguliert sind.

Ratingagenturen verschlafen Risiken

Moody's, Fitch und S&P, deren Aufgabe es wäre, Klarheit zu schaffen, sind bisher auf Bonitätsnoten für Kreditinstrumente öffentlich gelisteter Unternehmen sowie Staaten fokussiert. Schon bei diesen erkennen sie Risiken häufig erst nach allen anderen Marktteilnehmern, wie das erst im Frühjahr erfolgte Downgrade der USA durch Moody's unterstreicht, das die Ratingagentur mit einer reichlich späten Warnung vor einer Erosion der fiskalischen Stabilität Washingtons garnierte. Bei Private Credit wagen sie sich indes erst langsam vor, Moody's hat im Mai immerhin vor Gefahren durch die wachsende Beteiligung von Retail-Investoren an den privaten Debt-Märkten gewarnt.

Tatsächlich verschärft sich dieses Problem unter US-Präsident Donald Trump noch: Der Republikaner will sogenannten „401k Plans“ per Exekutivbeschluss Investitionen in Kryptowährungen und Private Markets ermöglichen. Mittel aus den insgesamt rund 9 Bill. Dollar schweren Altersvorsorgeplänen, über die Amerikaner Teile ihres Gehalts mit Arbeitgeberzulage investieren können, fließen bisher überwiegend in klassische Investmentfonds. Ein Zugang zu 401k-Geldern gilt für Private-Markets-Riesen wie Blackstone und Apollo Global als „heiliger Gral“ – als Chance, nach der Wall Street auch den Mainstream der amerikanischen Volkswirtschaft zu erobern.

Gewaltiges Wachstum

Doch einheitliche Rahmenwerke, anhand derer Anleger die Qualität von über die Private Markets aufgelegten Krediten einschätzen können, fehlen. Die demokratische Senatorin Elizabeth Warren hatte Mitte Juli deshalb Briefe an die Ratingagenturen verschickt und sie gefragt, wie sie Risiken bei Private Credit bewerten. Zudem hat sie Finanzminister Scott Bessent aufgerufen, die Größe des Marktes zu beziffern und seine Risiken für die Finanzstabilität zu bewerten. Ehrliche Antworten würden ein düsteres Bild zeichnen. Denn bereits heute werden gemäß Daten von Pitchbook nahezu 85% aller Leveraged Buyouts über einst „Schattenbanken“ geschimpfte Anbieter finanziert. Moody's rechnet damit, dass sich das Volumen des Private-Credit-Markts über die kommenden drei Jahre auf 3 Bill. Dollar verdoppeln wird.

Die Systematik, nach denen die Kreditqualität von Produkten in dem Segment eingestuft wird, ist nicht eben vertrauenerweckend. Finanzdienstleister, die Darlehen in Wertpapieren wie Collateralized Loan Obligations (CLOs) bündeln, können sich den Ratinganbieter bei der Emission in aller Regel aussuchen. Dabei steht ihnen auch eine Vielzahl spezialisierterer Agenturen mehr zur Verfügung, als bei klassischen Bonds realistisch infrage kommen. Diese Praxis provoziert Interessenkonflikte geradezu. Denn die Anbieter können somit schnell in Versuchung geraten, positive Bonitätsnoten auszustellen, um den Zuschlag vom Emittenten und damit dessen Gebühren zu erhalten. Ex-Manager werfen der Agentur Egan-Jones in einer Klage vor, nach genau diesem Muster vorgegangen zu sein.

Der große Crash droht

Die Parallele zur Situation vor dem Kollaps des Subprime-Hypothekenmarkts 2007 drängt sich auf. Auch damals steckten Ratingagenturen bei der Vergabe von Bonitätsnoten in harten Interessenkonflikten. Anleger vermochten die Risiken im Markt folglich nicht abzuschätzen und schlugen zu völlig überzogenen Bewertungen zu. Als Risse am Häusermarkt sichtbar wurden, folgte schnell der große Run auf die investierten Mittel, der sich zu einem globalen Crash ausweitete.

Die Banken, die nun ebenfalls an den Private Markets mitzumischen suchen, ziehen sich darauf zurück, dass Gelder dort langfristig angelegt würden. Dies mache Investorenruns weniger wahrscheinlich. Doch gerade die Illiquidität und unregelmäßige Bepreisung privater Anlagen wird zum Problem, wenn sich die Kreditqualität verschlechtert. Denn dann drohen Investoren von harten Abschwüngen in ihren Private-Credit-Portfolios überrascht zu werden – und sich zu hektischen Abverkäufen anderer Anlagen gezwungen sehen. Der Zeitpunkt, zu dem die gefährlichste Blase seit 2008 platzt, ist damit wohl nicht mehr fern.