Die Gesichter hinter dem Shutdown
Die Gesichter hinter dem Shutdown
Notiert in Washington
Die Menschen hinter dem Shutdown
Von Peter De Thier
Der Verwaltungsstillstand in Washington ist bald zwei Wochen alt. Doch ein Ende des Tauziehens um einen Übergangshaushalt ist nicht in Sicht. Die Frage, ob Republikaner oder Demokraten den größeren politischen Schaden erleiden werden, beherrscht zwar die Schlagzeilen. Auch haben Millionen von Amerikanern ein berechtigtes Eigeninteresse. Im Mittelpunkt des Budgetstreits steht nämlich die Frage, ob staatliche Zuschüsse zu Krankenversicherungsprämien beibehalten werden.
Diese waren ein zentraler Bestandteil des sogenannten Affordable Care Act (ACA), auch als Obamacare bekannt. Für Demokraten sind die ACA Premium Tax Credits (PTCs) eine Condition sine qua non (notwendige Bedingung). Republikanern sind sie aber zu teuer. Nach Angaben des unabhängigen Congressional Budget Office (CBO) würden die Gutschriften, sollten sie unbefristet verlängert werden, den Fiskus in den nächsten 10 Jahren 350 Mrd. Dollar kosten.
Leicht gehobene Mittelklasse
Unterdessen übersehen US-Medien häufig die Gesichter hinter dem Shutdown. Denn mittlerweile müssen mehr als 750.000 Bundesbedienstete ohne Bezahlung auskommen. Die meisten verstehen sich mit ordentlichen Beamtengehältern als Vertreter der „leicht gehobenen Mittelklasse“. Doch nach einem halben Monat ohne Bezahlung tun sich auch viele von ihnen schwer, ihren regelmäßig wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Ein solches Beispiel ist Imelda Avila-Thomas, eine langjährige Mitarbeiterin des US-Arbeitsministeriums.
Wie die meisten Beamte wird Imelda alle zwei Wochen bezahlt. Sie bekam kürzlich einen Scheck, der nur die vierte Septemberwoche abdeckt, die letzte, bevor der Verwaltungsapparat in Washington und anderen Teile des Landes zum Erliegen kam. Sorgen bereitet ihr nicht nur die Tatsache, dass Parlamentarier beider Parteien sich auf die Hinterbeine stellen und keinerlei Kompromissbereitschaft signalisieren. Auch fürchtet sie, dass es keine Gehaltsnachzahlungen geben wird. Damit hat schließlich US-Präsident Donald Trump gedroht.
Ersparnisse verschwinden
„Ich habe meine Ersparnisse aufgebraucht und sitze jetzt auf dem Trockenen“ sagt Imelda. Und das hat unmittelbar Folgen, auch für ihre Familie. Zunächst hat sie den Nachhilfeunterricht für ihre Tochter abgesagt. „Auch plane ich demnächst einen „Garage Sale“ und werde da alle möglichen Haushaltsgeräte, Bekleidung und andere Dinge verkaufen“, so die Staatsbedienstete.
Der Hinweis auf die mittlerweile aufgebrauchten Reserven illustriert eine häufig unterbeleuchtete Schwachstelle in den Finanzen der US-Privathaushalte. Nach Angaben der Website Bankrate.com, die Konsumenten Vergleiche zwischen Finanzprodukten anbietet, verfügt der durschschnittliche amerikanische Haushalt nämlich über nur 8.000 Dollar in seinen Giro- und Sparkonten. Zu der Höhe ihres nunmehr konsumierten Bargeldes wollte sich Imelda nicht äußern. Sie betont lediglich, nicht ihre in Aktien- und Anleihefonds investierte Altersversorgung anzapfen zu wollen. Unter anderem deswegen, weil die Märkte seit dem Beginn des Shutdown kräftige Federn gelassen haben.
Unbezahlte Rechnungen
Kaum besser ergeht es Yolanda Jacobs, die seit mehreren Jahren bei der Bundesgesundheitsbehörde Centers for Disease Control (CDC) arbeitet. Auch sie erscheint seit knapp zwei Wochen ohne Bezahlung bei ihrem Job. „Bei uns trifft es vor allem die Kinder, und das tut richtig weh“, sagte Yolanda. So muss ihr Sohn ohne die Eislaufstunden auskommen, auf die er sich jedes Wochenende freut. „Und meine Tochter kann nicht mehr ins Hallenbad zum Schwimmunterricht“.
Yolanda selbst wird eine Zahnoperation wegen der hohen Eigenbeteiligung, die ihre Versicherung verlangt, aufschieben müssen. Kritisch wird es für die Staatsdienerin, wenn der Verwaltungsstillstand sich noch bis in den November erstrecken sollte. „Dann wird es nämlich schwer, die Lebensmittel- und Stromrechnungen zu zahlen“, sagt sie. Ein Schicksal, das zigtausende von anderen Staatsdienern ebenfalls ereilen wird.