Die Gier der politischen Wohltäter
Steuerpolitik
Die Gier der politischen Wohltäter
Von Stephan Lorz
Warum nicht
Steuererhöhungen
sondern eine „negative Einkommensteuer“ die bessere Idee wäre, um mehr Wachstum und Wohlstand für alle zu erreichen.
Eigentlich kann der deutsche Staat aus dem Vollen schöpfen: Die Steuerquellen sprudeln trotz Jahren der Stagnation und Rezession. Auch der Staatshaushalt wächst scheinbar unaufhörlich weiter: Vor fünf Jahren lag das Volumen noch bei 1,6 Bill. Euro, 2024 waren es schon 2,1 Bill. Euro. Diese Steigerungsrate soll Prognosen zufolge noch bis mindestens 2029 anhalten. Man wundert sich insofern durchaus über die Klage der handelnden politischen Akteure, dass es finanziell hinten und vorne trotzdem nicht ausreichen soll, und überall riesige Haushaltslücken klaffen. Zumal schon eine ganze Reihe von Tricksereien angewandt werden, um den Kernhaushalt zu entlasten: Investitionen, oder solche, die vorgeben, welche zu sein, wurden in das Sondervermögen „ausgelagert“. Das Gebot im neuen Paragraphen 143h des Grundgesetzes, der eine „Zusätzlichkeit“ dieser Investitionen verlangt, wird dabei vorsätzlich gebrochen.
Vor diesem Hintergrund verwundert noch mehr, dass aktuell mit großer Dringlichkeit Steuererhöhungen gefordert werden: Die Linkspartei, aber auch Teile der SPD und der Grünen sowie sogar einzelne Abgeordnete der CDU zeigen Sympathie für eine Anhebung etwa der Reichen- und/oder der Erbschaftsteuer. Auch für die Wiedereinführung der Vermögensteuer wird getrommelt. Starke Schultern sollen mehr tragen, heißt es lapidar. Dabei war es bisher immer so: Die Steuererhöhungen lasteten vor allem stets auf der Mittelschicht, dem tragenden Pfeiler unseres Gemeinwesens. Denn nur so war der große Finanzbedarf für die damit verbundenen sozialen Ausgabenwünsche überhaupt zu erfüllen.
Mehr Gewinn durch Steuersenkung
Vielen Vertretern der Links- und Halblinksparteien scheint die Erkenntnis abzugehen, dass etwa eine schlichte Erhöhung der Erbschaftssteuersätze die „Einnahmeprobleme“ des Staates nicht löst, sondern verschlimmert. Denn wird die Fortexistenz von Unternehmen gefährdet, drohen Einnahmeausfälle bei allen anderen Steuern. Zudem muss natürlich verhindert werden, dass die betroffenen Steuerpflichtigen Deutschland verlassen. Finanzwissenschaftler haben sogar durchgerechnet, dass eher eine Senkung der Erbschaftssteuer samt generösen Stundungsmodellen in Richtung einer niedrigeren Flat-Tax für den Staat gewinnbringender wäre als eine Anhebung unter den obwaltenden Bedingungen. Aber darüber wollen die Steuererhöhungsfanatiker natürlich nicht nachdenken. Denn wie will man das seinem Wählerpublikum bloß verkaufen? Optisch hohe unerfüllbare Sätze suggerieren schlicht mehr „Gerechtigkeit“ als niedrige erfüllbare Steuerforderungen.
Um (noch) mehr Steuereinnahmen zu generieren, ohne die Wirtschaft zu schwächen, ist das Drehen an der Steuersatzschraube der falsche Weg. Stattdessen muss man an das Mit- und Gegeneinander von Steuer- und Sozialsystem heran. Das hält etwa viele Bürgergeldempfänger in der „Stütze“ gefangen. Denn was hilft ihnen die Aufnahme von Arbeit oder eine Ausweitung der Arbeitszeit, wenn die Entzugsrate bei Sozialtransfers ihnen den Zusatzertrag hintenherum wieder abnimmt? Eine Reform hier würde Wunder bewirken: Bei den Unternehmern, die in vielen Branchen händeringend Mitarbeiter suchen; bei den Sozialempfängern selbst, die von selbstverdientem Geld besser leben könnten; beim Staat, der dann mit mehr Steuereinnahmen rechnen kann und Sozialausgaben einspart; bei Ökonomen, die sich davon eine Dämpfung der demografischen Belastung versprechen und mehr Wachstum erhoffen.
Komplexe, aber wirksame Reformen
Und es gib auch längst ein Konzept dafür: die negative Einkommensteuer! Steuer- und Sozialsysteme müssten aufeinander abgestimmt und in der Hand einer Behörde – etwa den Finanzämtern – gebündelt und austariert werden, damit Be- und Entlastungen gleichmäßig erfolgen. Mehrarbeit lohnt sich dann. Solche Reformen sind hochwirksam, aber komplex und schwer zu verkaufen, weil sie sich nicht für ein PR-Happening eignen. Es bräuchte von der Politik schon Mut, diesen Weg zu gehen. Forderungen nach Steuererhöhungen fallen da natürlich leichter – und überzeugen die Claqueure im eigenen Fanclub sofort.